Ein Besuch in zwei Dependancen des Grazer Joanneum: die Neue Galerie widmet eine ganze Etage den VOOM-Videoportraits von Robert Wilson. Im Kunsthaus Graz hat Kurator Diedrich Diederichsen unter dem Titel "Schere, Stein, Papier" von der Pop-Musik beeinflusste Werke zusammengetragen. Christine Koblitz besichtigte beide.
Der große Theatermann Robert Wilson hat sich mittels moderner Technologie einen Traum erfüllt. In Kooperation mit VOOM HD Networks inszeniert er nahezu statische, hoch aufgelöste Video-Portraits mit jeweils eigenem Soundtrack. Abgebildet sind Celebrities, Royalties, Künstler und Tiere in scheinbarer Reglosigkeit. Erst auf den zweiten oder dritten Blick werden kleine Gesten sichtbar. Da liegt in einem Blinzeln eine ganze Geschichte. Aus den 153 bisher geschaffenen Portraits traf Kurator Peter Weibel gemeinsam mit Bob Wilson eine Auswahl mit mitteleuropäischem Bezug. Zusätzlich erhöht wird die Wirkung durch die großzügige Anordnung mit speziellen Sichtachsen in der Neuen Galerie. In jedem Raum sind nur ein oder zwei Motive platziert, am Boden ein schwarzer Teppich. Zusätzliche Lichtquellen braucht es nicht und gibt es auch nicht.
"A still life, is a real life" (Robert Wilson)
Beim Meister über Licht und Schatten wird nichts dem Zufall überlassen. Über der Treppe hängt die Grande Dame der Rockmusik, Marianne Faithfull , als Vampir (das Bild wurde inzwischen von der Neuen Galerie für die Sammlung gekauft). Anlässlich ihres Gastspiels besuchte die Enkelin von Sacher-Masoch auch die Ausstellung. Das Schlächter-Portrait von Steve Buscemi erinnert an den Film "Der Koch, der Dieb, seine Frau und ihr Liebhaber", Caroline von Monacos Silhouette an ihre Mutter Grace Kelly. Auch wenn man die Bezüge nicht kennt, wird man optisch und akustisch in den Bann gezogen. Brad Pitt steht in Socken und Unterhose im Regen, atmet und zielt ganz, ganz langsam mit der Wasserpistole. Ein König (Performancekünstler William Pope L.) liegt auf der Spielwiese. Wenn Dita von Teese nicht gelegentlich zwinkerte, müsste man die Echtheit ihrer Schaukel-Dauerpose bezweifeln, egal wie fröhlich Ethel Merman dazu erschallt. Johnny Depp hat wie Brad Pitt einen ganzen Raum für sich. Im Spiegelsaal quakt ein knappes Dutzend Hornfrösche zu den Goldbergvariationen. Dahinter posiert Salma Hayek Schwanensee-mäßig als große, erschöpfte Schwarz-Weiß-Diva gleich in Serie. Vor allem bei den Tierportraits fragt man sich: Wie macht er das? Auf "Ivory (Black Panther)" liegt ein schwarzer Panther, den Blick stetig leicht über die Kamera gerichtet. Für das Team in Robert Wilsons New Yorker Studio war das auch nicht ungefährlich, erzählt die Leiterin der Neuen Galerie, Frau Dr. Steinle. Die Ausstellung kann man ohne Gefahr besuchen. Zu sehen ist sie noch bis 6. September 2009 in der Neuen Galerie Graz.
Pop Musik als Gegenstand Bildender Kunst
Auch im Kunsthaus Graz sind bei "Schere, Stein, Papier" nur Werke aus dem 21. Jahrhundert ausgestellt. In Skulpturen, Installationen und Bildern wird die Fortsetzung der Musik mit nicht-musikalischen Mitteln gezeigt, Stichworte "Montage und Verpackung", kuratiert von Poptheoretiker Diedrich Diederichsen. Was kann man sich darunter vorstellen? Die Arbeit des Pop-Musikers beginnt im Tonstudio. Also beginnt der Rundgang bei der Schaumgummi-Studio-Installation von Ex-Sonic Youth Bassistin Kim Gordon und Jutta Koether, die mit den immer gleich quälenden Fragen tapeziert sind. "What does your name mean? Do you feel competitive with other bands? How do you write a song?" Innen drin gibt ein Video Einblick in die Studioarbeit. Der nächste Schritt ist eine erste Tour durch kleine Kneipen mit handverlesenem Publikum. Nico Vascelli hängt für "Lago Morto" die Hardrockband-Absteigenvideos und Setlisten einer Tour nebeneinander auf. Mal hat die Band mit "Hard Fuck" begonnen, meist den Abend damit beschlossen.
Karaoke und Katzenmusik
Sind die Songs einmal ausreichend bekannt, braucht es die ursprünglichen Musiker nicht mehr unbedingt dazu. In der "Red Krayola Karaoke Bar" von Art & Language kann man selbst zum Teil des Projekts werden. Cory Archangel zeigt "Katzenmusik" im wahrsten Sinne des Wortes, wenn Katzen in einer zum Teil nur grobkörnig aufgelösten Projektion aus einer Vielzahl an Amateurvideos über das Klavier laufen. Albert Oehlen, im Nebenberuf auch Labelbetreiber und Musikproduzent, ist als Maler ebenso mit zwei aktuellen Bildern vertreten wie Lucy McKenzie. Der Franzose Saâdane Afif beauftragt Musiker, Autoren, Songwriter damit, dass sie in bestimmten Formaten auf Arbeiten von ihm eingehen und so ein Teilprodukt dazu liefern, etwa einen Songtext. Der dann wiederum von jemand anderem vertont wird und auch mit ausgestellt wird. Auf zwei Meter langen Holztafeln schillern die Texte, eine Hörstation steht auf der anderen Seite. "Blue Time vs. Suspence" heißt dieses Gesamtkonzept.
Sex, Drugs, and Rock and Roll Party Palace
Manchmal ist es schon wieder schmeichelhaft, wenn man noch nach dem Alter gefragt wird. Unter 18 Jahren darf man nicht in die oberen Gefilde. Entsprechend neugierig bin ich denn, was da Schockierendes zu sehen ist und auch gleich etwas enttäuscht. Obwohl allein die Größe des Werks beeindruckt. Mike Kelley hat ein aufblasbares Dorf aus Fliegenpilz, Katze und Kirche hingestellt. Darauf projiziert werden Namen diverser Drogen zwischen pornographischer Szene aller Unarten. Zusammen ergibt das den "Sex, Drugs, and Rock and Roll Party Palace". Alles in allem wieder einmal viel zu schauen und zu entdecken im Kunsthaus Graz . Noch bis 30. August 2009. //
Text: Christine Koblitz
Fotos: Nicolas Lackner / Landesmuseum Joanneum; M. Wimler / Landesmuseum Joanneum
Schere, Stein, Papier
Kurator: Diedrich Diederichsen
Bewertung: @@@@@
Bis 30. August 2009
Kunsthaus, Graz
Öffnungszeiten: Di – So 10:00-18:00 Uhr
Eintrittspreise: € 7-, ermäßigt € 5,50
Robert Wilsons VOOM Portraits
Bewertung: @@@@@
Bis 6. September 2009
Neue Galerie Graz
Öffnungszeiten: Di - So 10 – 18 Uhr