16 neue Texte zu 16 alten Gemälden von 16 Schauspielern live vorgetragen, dort, wo die Bilder auch tagsüber zu sehen sind: in der Gemäldegalerie des Kunsthistorischen Museums.
Die literarischen Beiträge für "Ganymed Boarding" stammen von namhaften Größen wie Karl-Markus Gauß, Peter Handke, Bodo Hell, Elfriede Jelinek, Walter Kappacher, Clemens Setz und Juli Zeh. Über eine bloße kunsthistorische Beschreibung hinaus eröffnen sich bei den meisten teils sehr unterhaltsame, teils nachdenkliche Sichtweisen. Beginn ist für alle gemeinsam im Foyer. Dann verteilt sich die Zuschauermenge auf die verschiedenen Räumlichkeiten. Hat sich ein Grüppchen vor einem Bild versammelt, beginnt das Spiel, oft aus der Position des Dargestellten. So erinnert sich Hans Dieter Knebel als Heiliger Sebastian (Clemens Setz) an seine Jugend, als er noch ein fescher Kerl war. Jetzt spürt er die Pfeile, die seinen Körper durchbohren nicht einmal mehr. Doch: "Damals sind sie reihenweise umgekippt." David Oberkogler wird in der Parabel "Hinter dem Zaun" (Juli Zeh) vom Infant zum infantilen Don Carlos, einem einsamen Esel im Streichelzoo. Die Absperrung dient seiner eigenen Sicherheit. Während der Besuchszeiten bleibt er aus Prinzip im Unterstand und auch uns wendet er scheu immer wieder den Rücken zu. Ganz anders präsentiert Doris Uhlich im nächsten Zimmer den Ausbruchsversuch vor den vier gespenstischen Infantinnen-Portraits. Im unsichtbaren Reifrock bemüht sie sich redlich dem Text Kontur zu verleihen und frei zu tanzen. Doch die gewandigen Brutöfen der Infantinnen haben nicht nur die Scham, sondern auch Elfriede Jelineks Sprachgewalt vergleichsweise matt erstickt. Das freie Wechseln zwischen den Bildern ermöglicht auch längeres Verweilen oder Rückkehr, wenn etwas besonders gut gefällt. Der Text von Karl-Markus Gauß, "Ein alter Mann beschwert sich", zum Beispiel. Letzterer hat auch allen Grund dazu. Muss er auf dem Bild "Susanna im Bade" nicht nur am Boden kriechen, findet er dieses Bröckerl an nacktem Fleisch nicht einmal schön. Und wozu das alles? Damit wir uns an der ausgestellten Sünde ergötzen können. Was wir auf den Bildern - egal ob von Tintoretto oder Rubens - wie selbstverständlich in allen Details betrachten, trauen wir uns am lebenden Subjekt schon nicht mehr. Oder doch? Wer kann der aufmüpfigen Aufforderung von Vivien Löschner (Text: Thomas Glavinic) ganz genau hinzusehen, wenn sie schon unbekleidet dasteht, widerstehen? Wenn es so weit ist heißt das von Peter Wolf und Jacqueline Kornmüller (ein Interview mit J.K. gibt es HIER) gegründete Ensemble, das hinter dem Projekt steckt. Sie verstehen es, das Ambiente auf das Wirkungsvollste zu inszenieren, reduziert und mit gleichzeitiger Achtsamkeit auf die Details. Ebenso stimmig sind die güldenen Kostüme von Heide Kastler. Zu sehen noch jeden Mittwoch bis 10. November 2010. Die Texte sind auch als Buch (Brandstätter-Verlag) erhältlich. (Christine Koblitz; Fotos: Gustavo Allidi Bernasconi und Helmut Wimmer)
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