Foto Tobias Schwaiger Lange Nacht der Kirchen 2024

Eine Theologin, ein Kaplan und ein Regisseur sitzen vor einem Altar und debattieren. Was sich wie der Beginn eines Witzes anhört, ist in der Lange Nacht der Kirchen 2024 in der Pfarre Dornbach Realität.

Lange Nacht der Kirchen 2024

Beim neunstündigen Der Herr der Ringe Marathon ist nicht nur Durchhaltevermögen, sondern auch Mitdenken und Analysieren angesagt. "Die Welt ist im Wandel, ich spüre es im Wasser, ich spüre es in der Erde, ich rieche es in der Luft." Eine Erzählstimme hallt durch die Pfarrkirche Dornbach im 17. Bezirk, während ein gemischtes Publikum, umhüllt von fahlem Weihrauchduft, die Schlacht des letzten Bündnisses zwischen Menschen und Elben bestaunt. Hinter der Leinwand thront der christliche Erlöser Jesus Christus, welcher womöglich zum ersten Mal im eigenen Haus die Welt des Bestseller-Autors und bekennenden Christen J.R.R. Tolkien bestaunen kann. Die epochalen Klänge der elbischen Gesänge, untermalt von Geigen und Trommeln, erhellen die Kirche und leiten einen Abend voller Abenteuer und Kameradschaft ein. Ähnlich wie die Gemeinschaft des Ringes geht das Publikum auf eine gemeinsame Reise. Lange Nacht der Kirchen 2024 Expertinnen Foto Tobias Schwaiger

Die ExpertInnen

"Der Kaplan, der findet Gott überall." Das dachte sich der Filmemacher Thomas Marschall zu Beginn, als Kaplan Boris Porsch ihm von den christlichen Hintergründen in Der Herr der Ringe erzählte. Was der Kaplan damals nicht wusste: Er hat den Grundstein für eine Lange Nacht der Kirchen 2024 gelegt. Die Theologin Marianne Schlosser war es dann, welche die anfängliche Skepsis des Filmemachers in eine wachsende Faszination umwandelte. Mithilfe ihrer Expertise über Tolkien und ihrem theologischen Fachwissen brachte sie den Stein endgültig ins Rollen. Neun Stunden Film, eineinhalb Stunden musikalische Untermalung und bereitgestelltes Catering umfasste am 8. Juni 2024 in der Pfarre Dornbach die nächtliche Reise nach Mittelerde. Von vier Uhr nachmittags bis knapp sieben Uhr früh. Damit haben diese drei Gefährten den Weg für eine wirklich lange Nacht in der Kirche  geebnet. 

Lange Nacht der Kirchen 2024 Herr der Ringe Foto Tobias Schwaiger

Die zwei Welten

"Ohne es zu wissen, geht man permanent auf christlichem Boden." So umschreibt Marschall das Abenteuer des Protagonisten Frodo und seiner Gefährten. Das Tolkien-Universum ist nämlich ein vielschichtiges Verweben eines Abenteuers mit dem christlichen Glauben. Das wird besonders durch die Ausführungen von Marianne Schlosser deutlich. Gemütlich sitzend vor dem Altar erzählt sie Tolkiens Geschichte von Gut gegen Böse, von Barmherzigkeit und Gnade und der Sehnsucht nach Unsterblichkeit. Über allem steht die gemeinsame Schöpfungsgeschichte beider Welten. Auch in Mittelerde wacht "eine Person, die niemals genannt wird, aber immer Teil hat" über die Geschehnisse des Irdischen, so Schlosser. Dabei hört das Publikum gebannt zu. Schlosser zieht damit, zusammen mit ihren Gefährten Porsch und Marschall, die Kirche in eine andere Form der Andacht. Sie zeigen Parallelen unterschiedlicher Welten auf und bereiten das Publikum auf die anstehende lange Nacht vor.  

Lange Nacht der Kirchen 2024 Tolkien Fans Foto Tobias Schwaiger

Die Rückkehr der Vielfalt

Freitagabend und die Kirche ist voll. Da wirkt die Magie der Trilogie nicht nur durch den Zauberer Gandalf, sondern auch durch die Leinwand hindurch. Die Leute sind präsent und zeigen sich begeistert von der Idee eines solchen Filmabends. Zwei junge Männer sind sogar mit passenden Outfits vor Ort: in mittelalterlicher Montur und Herr der Ringe-Shirt. Der Herr im ledernen Schulterpanzer ist zwar Agnostiker, findet die Idee aber genauso gut wie sein Kumpel mit religiösem Hintergrund. "Ich finde es toll, dass die Kirche so etwas anbietet", meint er. Auch die jugendliche Belegschaft des Caterings findet es "cool", dass die Kirche so etwas macht. Zudem gibt es auch ältere Stimmen, die genauso angetan von der Idee sind. "Wir haben nichts gegen ein solches Event in der Kirche und schauen uns gerne den ersten Film an", so ein Paar. Demnach scheint das Programm in der Lange Nacht der Kirchen 2024 nicht nur zwei Welten, sondern auch die Barrieren des Glaubens und des Alters zu durchbrechen. Vielleicht ist nicht nur Mittelerde im Wandel, sondern auch ein wenig die kleine Welt in der Pfarrgemeinde Dornbach. //

Text und Fotos: Tobias Schwaiger

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