Wer sich auf einer Leinwand von Harald Koeck wiederfindet, ist in der Regel tot. Der Leichenmaler will den Tod enttabuisieren und eine Verbindung zwischen Kunst und Wissenschaft herstellen.
Harald Koeck malt Leichen, sammelt alte Seziermesser und Schädel. Selbst seine Kaffeetasse, ein Fanartikel des Hamburger Kultvereins FC St. Pauli, wird von einem Totenkopf geziert. Auf den ersten Blick wirkt das geräumige Atelier 455 in der Zieglergasse im 7. Bezirk in Wien genau so, wie man sich den Schaffensraum eines jahrelang praktizierenden Künstlers vorstellt: bunt, unkonventionell und ein wenig durcheinander. Das legere Auftreten des Malers in lockerer Kleidung fügt sich gut in das Bild seiner Umgebung ein. An den Wänden hängen aber nicht etwa Darstellungen pittoresker Landschaften oder abstrakte Kunst – in diesen Räumen dreht sich alles um den Tod.
Zwischen Leben und Tod
Die Faszination für den Tod beginnt für den 1957 geborenen Salzburger Harald Koeck im Rettungsauto. Während seiner Zeit als Zivildiener beim Roten Kreuz war Harald Koeck oftmals mit Situationen zwischen Leben und Tod konfrontiert. "Wie ich versucht habe, ein Kind zu reanimieren, das im Pool ertrunken ist, und dass ich es nicht zurückholen konnte, das ist vielleicht die wildeste Geschichte in meiner ganzen Laufbahn", erinnert sich Harald Koeck. Später vertieft sich diese Faszination während seines Studiums bei Friedensreich Hundertwasser an der Akademie der Bildenden Künste in Wien. Dort lernt Harald Koeck Professor Hans Bankl kennen, der ihm die Tore des Pathologischen Instituts öffnet. Dort kann er erstmals Leichen bei deren Öffnung malen. "Für mich ist das so: Ich bin mit fünf oder zehn Menschen in einem Raum, aber bin allein, denen fehlt einfach etwas", erklärt Harald Koeck seine Eindrücke in der Pathologie. Diesem Gefühl widmete der Künstler 1992 die Ausstellung "Leib ohne Seele“. Seit 1987 befasst sich Harald Koeck künstlerisch ganz mit dem Tod, oder dem "Leben nach dem Leben“, wie er es nennt. Der Tod brachte Harald Koeck rund um die Welt: In New York gestaltete er die Eingangshalle des Mount Sinai Medical Centers. Nachts folgte er den Durchsagen im Polizeifunk, um Darstellungen von Ermordeten und Selbstmördern für seinen Zyklus "Unnatural Deaths“ anfertigen zu können. In Minsk malte er Kinder, die an gesundheitlichen Folgen des Chernobyl-Desasters gestorben sind. Heute ist Harald Koeck Gastdozent an der Medizinischen Universität in Breslau.
Tod und Gesellschaft
Harald Koeck tritt mit der Darstellung vom Tod und der Verbindung von Kunst und Wissenschaft in geschichtsträchtige Fußstapfen – wie jene Leonardo Da Vincis, der schon im 15. Jahrhundert anatomische Studien durchführte. Heute wie damals löst dieses Thema nicht nur positive Resonanz in der Gesellschaft aus. So wurden etwa Plakate für Koecks Ausstellung übermalt und heruntergerissen. Der Tod, so der Künstler, sei nämlich noch immer ein großes Tabu, gegen das er versuche anzukämpfen. "Mir geht es darum, den Tod, der ja von der Gesellschaft ausgeschlossen wird, zurückzuholen in das Leben.“ Es sei wichtig, sich auch schon zu Lebzeiten mit dem eigenen Tod auseinanderzusetzen, um dann nicht überrascht zu werden. "Meine Kunst hat viel mehr Aussage als irgendetwas, das man sich dekorativ ins Zimmer stellt“, sagt Harald Koeck selbstbewusst über seine ungewöhnlich farbenfrohen Bilder. "Das ist wegen der Pigmente! Dieselben Pigmente, die wir für die Herstellung von Farben verwenden, finden sich auch im Körper und in den Organen wieder“, sagt der Künstler und scherzt: "Die meisten von uns sind sowieso innen viel bunter als außen.“
Harald Koeck ist stets vom Tod umgeben. Ob in seinem Atelier 455 oder in der Universität in Breslau bei Vorträgen oder künstlerischen Performances mit Studierenden. Das sei aber nicht außergewöhnlich, meint Harald Koeck: "Wenn man zum Fleischhauer geht, ist da auch der Tod, nur betrifft es dort Tiere und keine Menschen.“ Aktuell widmet sich Harald Koeck dem Leben und Schaffen seines Mentors Hans Bankl anlässlich dessen 20. Todestags. Das Atelier 455 in der Zieglergasse kann nach Kontaktaufnahme mit Harald Koeck besucht werden. //
Text und Fotos: Niki Hofer
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