"Ich sage dir eines, mein Sohn. Wenn es soweit ist, ich möchte nicht, dass du zu meinem Begräbnis kommst."
So waren die Worte des Vaters am Telefon, nachdem er von dem wenig Schmeichelhaften erfahren hatte, das der Ich-Erzähler in seinem letzten Buch über die Bewohner seines Kärntner Heimatdorfes geschrieben hatte. Dies sind auch die Worte, an die sich Winkler erinnert, als er vom Tod des Vaters erfährt. Er selbst hält sich zu dieser Zeit in Roppongi, einem Stadtteil von Tokio auf, und da ein schneller Rückflug nicht möglich ist, erfüllt sich der Fluch des Vaters. Der Erzähler kann dem Begräbnis nur aus der Ferne, in Gedanken, beiwohnen.
Der tote Vater hat sich also, dachte ich in diesem Augenblick des Schreckens, der Trauer, Sentimentalität, der Zufriedenheit und des Glücks, in der Gestalt eines weißen Reihers noch einmal bei mir blicken lassen.
Dieser weiße Reiher, den der Erzähler in einem Teich in Roppongi erblickt wird zum Ausgangspunkt für Winkler, noch einmal die Themen aufzugreifen, die sein bisheriges Werk geprägt haben: der Tod, seine Jugend im Kärntner Dorf Kamering, die versuchte Loslösung ebenso wie die Abrechung und literarische Aussöhnung mit seinem Vater und sich selbst. Im Text ist Roppongi der Ort, an dem all diese Erinnerungen, all diese Lebenserfahrungen zusammenlaufen und kulminieren. Hier, aus der Distanz, ist der Erzähler in der Lage, sich das Begräbnis des Vaters vorzustellen, dessen Leben zu besehen, anzuerkennen und in einen Rahmen zu stellen mit anderen Lebens- und Todeserfahrungen. Somit ist Roppongi nicht nur ein Requiem für einen Vater, sondern vielmehr ein Panorama des Lebens und damit auch des Sterbens. Josef Winkler - Roppongi. Requiem für einen Vater Bewertung: @@@@@@ Suhrkamp, Frankfurt am Main (2007) ISBN 978-3-518-41921-2 Fest geb., 160 Seiten, Preis 16,80 EUR |