Dieser historische Roman beruht auf eine authentische Begebenheit - ausgehend von einem vergessenen Kapitel deutscher Geschichte - und offenbart vor allem die ausführlichen Nachforschungen des Autors. Von Bernhard Pöckl.
Gemeinsam würden sie das beste und schönste Schiff Afrikas bauen. So denkt Schiffbaumeister Anton Rüter, als er 1913 mit zwei seiner Kollegen an den Tanganjikasee in die damalige Kolonie Deutsch-Ostafrika beordert wird. Dort sollen sie – gegen guten Verdienst – ein Dampfschiff wieder zusammenbauen, um den Verkehr auf dem riesigen Binnengewässer zu sichern. Die Drei finden sich bald beeindruckt in der für sie exotischen Kulisse Afrikas wieder, werden aber auch Teil der Absurdität des kolonialistischen Alltags. Erst spät erfahren sie vom Ausbruch des Ersten Weltkriegs, der ihr Leben jedoch schnell entscheidend verändern wird. Bald belauern sich Belgier, Engländer und Deutsche an den Ufern des Sees und die wenigen größeren Schiffe, die am Gewässer verkehren, werden kriegswichtig. Während die drei Deutschen die "Götzen" – so der Name des Dampfers – zusammenbauen, wird der englische Oberstleutnant Spicer Simson mit einer heiklen Mission beauftragt: er soll zwei bewaffnete Schnellboote über den Landweg an das Ufer des Sees befördern, um die feindlichen Gefährte ein für allemal zu versenken. Dass Simson ein Pechvogel ersten Ranges ist, erleichtert das Unternehmen nicht unbedingt. Schon nach kurzer Zeit ist es vorbei mit der scheinbaren kolonialen Beschaulichkeit und beide Seiten sind gezwungen, einen sinnlosen Krieg zu führen. Über die Jahre habe ich festgestellt, dass meine Helden allesamt gewöhnliche Menschen sind, die ungewöhnliche Dinge tun. Alex Capus' historischer Roman beruht auf einer authentischen Begebenheit und offenbart vor allem die ausführlichen Nachforschungen des Autors. Ausgehend von einem vergessenen Kapitel deutscher Geschichte verbleibt Capus jedoch nicht bei den Fakten, sondern versucht seine Figuren mit Leben zu erfüllen und dem Leser ihr Denken und Fühlen begreiflich zu machen. Dieses Unterfangen gelingt über weite Strecken des Romans, sodass der Kontrast zwischen der Gedankenwelt der Männer und der Grausamkeit der kolonialen Lebenswelt viel zum Reiz des Buches beiträgt. Episodenhaft werden die Erlebnisse der Menschen, die auf verschiedenen Seiten stehen geschildert, wobei der Erzähler detailliert und mit stets präsenter Ironie berichtet. Dieser Unterton ist es auch, der den Leser verzeihen lässt, denn Capus zeichnet einige seiner Figuren sehr extrem, lässt sich durchaus auf bekannte Klischees ein und zitiert mutig dahin – so ist eine Flussreise schon einmal eine Fahrt ins "Herz der Finsternis". Trotzdem gefällt der Roman, auch aufgrund der Anhäufung von grotesken Ereignissen, die an Werner Herzogs "Fitzcarraldo" denken lassen, und die – auch hier ist Capus gewissenhaft – historischen Tatsachen entsprechen. Das Bild von Menschen, die von äußeren Umständen in den Krieg gezwungen werden und trotzdem versuchen "in Würde zu leben", wie Capus meint, ist ihm durchaus gelungen. Solider Roman. (Bernhard Pöckl) Buch-Tipp: Alex Capus - Eine Frage der Zeit Bewertung: @@@ Verlag: Knaus, München 2007 ISBN 978-3813502725 Fest geb., 304 Seiten, Preis 19,95 EUR |
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