hundegger-schreibennichtschEin Gedichtband über die lyrische Aufarbeitung eines eigenen Alphabets, das Widerstände und Umstände bearbeitet und eine zutiefst persönliche Sicht auf das Schreiben freigibt.

Es ist ein Eintauchen in Sprache, in Gedanken, oft Bilder, die aus kurzen Nebelschleiern, sich lichten. Da wird Sprache neu erfunden, gibt Raum für eigenes, fasst wieder in Worte, etwas das man kennt und lässt einen mit anderen Bildern für dieses "etwas" zurück. Da wird mit dunklen Bildern lebendiges geschaffen. ("deute deuten")

Barbara Hundegger ist mit ihrem Band ein vielschichtiger Zugang zu der Verwendung der Sprache, in mehreren Ebenen, gelungen. Sie bespricht einerseits Gefühle und Bilder, die sich aus dem Alltag ("wunderfern"), aus dem Zusammenleben mit Menschen ("emil heißen") und auch aus dem beruflichen Umfeld einer Schriftstellerin ("furien verfolgen"), ergeben. Dabei findet sie aber immer wieder ungewöhnliche Verbindungen, neue Zugänge und schafft damit eine weitere Welt, in die der Leser eintauchen darf. In die Welt der Sätze und Formulierungen, die Welt, in der Buchstaben nicht nur Buchstaben sind, sondern sich zu neuen Bedeutungen formen. Intim sind ihre Bekenntnisse und ganz persönlich. Das macht die Texte zu Zeugnissen der eigenen Fehlbarkeit und spenden unter anderem seltsamen Trost. Wie nebenbei spricht sie Genderaspekte an, so in "hunde ausgraben" - denn noch immer sind Männer als publizierende Autoren führend und Frauen rücken nur langsam nach. Sehr direkt in "xenophyten": ... Literaturnobelpreis: Roth oder eine Frau? .aber: "Jelinek oder ein Mann?" - undenkbar ... Der wohltuende Feminismus, nicht im Kampf, aber in der scharfen Beobachtung, gibt Anlass selbst wieder aktiver hinzusehen und Konsequenzen zu ziehen.

Immer wieder die Suche nach der einzig wahren Wendung, Formulierung und dem Zerrissensein des Lebens zwischen Kunst und Brotberuf: ... dem im leben nachgehen damit du es in der kunst aufgeben ... dem in der kunst nachgeben damit es im leben abgeben der kunst ... ("furien verfolgen") und das sich die Frage nicht wirklich stellt: schreiben-nichtschreiben - denn alles, was in Worte gefasst wird, ist schreiben. ...das löscht die gier den durst deines textes nach dir ... ("absätze wenden"). Die Angst jeder Autorin / jeden Autors vor der Kritik, die Angst vor dem Vergessen werden, ist groß - noch größer die Angst vor den Schreibblockaden und Gedichtanfängen. Leben bricht dennoch ein und die Ablenkungen des TVs, der Alltäglichkeiten ... fernsehen statt schreiben, Sex statt schreiben, staubsaugen, dübeln und lesen statt schreiben ... sind ständige Bedrohungen der Schreibprozesse. Der innere Kampf, bis es endlich reicht, und frau als freie Schriftstellerin arbeitet. ... atemzüge vertan hab ich bis die frage sich stellt schreibennichtschreiben ... Wunderbare Lyrik zum nachsinnen und besinnen! Barbara Hundegger arbeitet sich durch das Alphabet, ihres beginnt bei "z" und endet bei "a". (suja)

 hundegger-schreiben-nichtscBuch-Tipp:
Barbara Hundegger: schreibennichtschreiben
Bewertung: @@@@@
Verlag: Skarabäus (2009) 

Kurz-Infos zur Autorin:
Barbara Hundegger wurde 1963 in Hall in Tirol geborgen. Sie studierte Germanistik, Philosophie und Theaterwissenschaften in Innsbruck und Wien. Neben ihrer beruflichen Tätigkeit als Lektorin und Redakteurin hat sie lange in feministischen Arbeitsgruppen zu unterschiedlichen Themen mitgearbeitet und ist seit einiger Zeit als freie Schriftstellerin in Innsbruck tätig. Sie ist Trägerin zahlreicher Auszeichnungen, unter anderem dem Christine Lavant Preis 2003.