Ein ungewöhnliches und kurzweiliges Buch von einem ungewöhnlichen Autor: Mit "Tod auf der Donau" legt Michal Hvorecky eine kurzweilige Reise quer durch die Donaustaaten und deren bewegte Geschichte vor.
Der Protagonist Martin Roy ist studierter Übersetzer. Da er damit aber nicht genug Geld zum Leben verdienen kann, hat er sich als Reiseleiter für Donaukreuzfahrten anheuern lassen, welche speziell auf amerikanische Senioren ausgelegt sind. Mit den Pensionisten aus den USA geht es entlang der Donau einmal quer durch Mittel-und Osteuropa. Während der Reise hat Martin alle Hände voll zu tun die Truppe zu bändigen, um so durch die Zufriedenheit der Kunden seinen Lohn und das heiß ersehnte Trinkgeld zu sichern. Hvorecky spaltet seinen Text in vier verschiedene Problemdarstellungen auf. Einerseits werden die Schwierigkeiten der heutigen Kreuzfahrtschiffe aufgezeigt. Erschreckend niedrige Löhne, ungeheure Arbeitszeiten für die gesamte Crew sowie Alkoholmissbrauch an Bord. Weiters wird ein kritischer, mit Klischees arbeitender, Blick auf die US-Gesellschaft geworfen. Nicht jeder US-Bürger ist uninformiert und trägt seine Flagge am Herzen und doch treffen die meisten Stereotype wohl auf viele zu. Zudem diskutiert Hvorecky auch die Situation von Übersetzern, und die ist alles andere als rosig. Da gute Übersetzungen in unserer Gesellschaft als selbstverständlich angesehen werden und meist der Aufwand, der dahintersteckt nicht anerkannt wird, stehen Übersetzer auf verlorenem Posten. Schlechte Bezahlung und fehlende Anerkennung sind die Regel. Andererseits werden die Länder Osteuropas beleuchtet. Die kleinen Portraits dieser Staaten zeigen Nationen, die vom Krieg entstellt und innerlich zerrissen sind, aber doch eine Schönheit in sich tragen, die in Westeuropa oft vergessen wird.
No Crime Fiction
"Tod auf der Donau" ist ein vom Verlag schlecht gewählter Titel der Übersetzung. Angelehnt an den "Tod auf dem Nil" von Agatha Christie vermutet man einen reißenden Kriminalroman, und obwohl einige Charaktere ihr Leben lassen müssen und sich kurzfristig eine Art Detektivgeschichte entspinnt, ist dieses Buch definitiv nicht unter Crime Fiction einzuordnen. Die Geschichte ist lustig und spannend erzählt, man erkennt sofort die Recherchearbeit, die dahintersteckt und das Buch davor bewahrt ins Lächerliche abzurutschen. Allerdings ist das Ende der Donaukreuzfahrt nicht mehr so packend geschildert. Da Hvorecky es versteht einen komplexen gesellschaftlichen Zusammenhang ganz beiläufig sowohl zu beschreiben als auch kritisch zu betrachten und auseinanderzunehmen, wirkt das Ende der MS America hölzern erzählt und einer Sensation hinterherhinkend. Dennoch ist "Tod auf der Donau" ein bemerkenswert guter Roman, der den Blick auf einige zu gern unter den Tisch gekehrte Themen lenkt, über die man sich häufig keine Gedanken macht, weil an der Oberfläche alles funktioniert. Eine kurzweilige Lektüre, die zum Nachdenken einlädt und neue Perspektiven aufzeigt. (Text: Katja Kramp)
Buch-Tipp:
Michal Hvorecky: Tod auf der Donau
Bewertung: @@@@
Verlag: Tropen / Klett-Cotta (2012)
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