Der chilenische Autor, der bereits mit dem bedeutendsten Literaturpreis der spanischsprachigen Welt ausgezeichnet wurde, dem Premio Cervantes, legt mit "Der Ursprung der Welt" einen prächtigen und hoch amüsanten Roman vor, gespickt mit passenden Zitaten von Seneca, wie "Was interessiert mich, was für die Natur gewiß ist, wenn es für mich ungewiß ist." Der chilenische Autor Jorge Edwards, der 1973 mit seinem Werk "Persona non grata" zum damaligen Zeitpunkt eines der umstrittensten Bücher in der romanischsprachigen Welt der 1970er Jahre veröffentlichte und in Chile bis 1978 unter die Zensur fiel, ebenso wie in Kuba, wo "Persona non grata" als "nicht existierendes Buch" zu gelten hatte, veröffentlichte 1996 "El Origen del mundo", das nun erstmals in deutscher Sprache vorliegt.
Die feine Übersetzung macht den Roman "Der Ursprung der Welt" zu einem dichten Kaleidoskop von Gefühlen, kaschiert mit viel Witz, berührenden Momenten und einer Tiefsinnigkeit, wie man es häufig von Romanen erwartet, aber nur selten zu Lesen bekommt. Die Handlung ist schnell auf den Punkt gebracht: Ein Paar steht im Pariser Musée d'Orsay vor dem berühmten Aktgemälde von Gustave Courbet, das zugleich dem Roman den Namen gibt. Felipe, ein gemeinsamer Freund des Pärchen, dessen Hobby Aktfotografie ist, wird während des Museumsbesuchs zum Gesprächsthema und dem Exilchilenen Patricio packt dabei die Eifersucht, weil sich ihm die Frage stellt, ob seine um Jahre jüngere Frau Silvia mit Felipe eine Affäre hat bzw. hatte. Nachdem Felipe unerwartet stirbt stößt Patricio auf eine Aktfotografie die dem Gemälde von Courbet zum Verwechseln ähnlich ist, und nicht nur das; Noch dazu glaubt er bei der Abgebildeten auch seine Frau wiederzuerkennen. Zerfressen vor Eifersucht sieht er sich in die Enge getrieben und ist auch bereits drauf und dran dem Wahnsinn zu verfallen, sucht frühere und aktuelle Freunde auf, ihm fremde Personen, die den Verstorbenen gut kannten, um herauszubekommen, ob seine Ahnung stimmt. Jorge Edwards benutzt dabei kaum merkbare Verzierungen im Sprachbild, heraus kommt eine stimmige, poetische Geschichte zu einem alten Thema. Frisch und herzergreifend erzählt, ein duftender Balsam mit intellektuellen Verschrobenheiten und Reflexionen. Kein Sittenbild, aber Gesellschaft pur, inklusive Politik. Qualitätsliteratur. (Manfred Horak)
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Wagenbach, 2005
175 S., gebunden
ISBN 3 8031 3193 6
Jorge Edwards - Der Ursprung der Welt
von Manfred Horak
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