Die Frankfurter Buchmesse ist nicht nur Businessplattform und wohl vorbereitetes Klassentreffen, sondern genauso Inspirationsquelle und Schauplatz für Unvorhergesehenes - kein Wunder bei 302.000 Menschen vor Ort, die Besucher- und Fachbesucherzahlen sind steigend.
So war die Frankfurter Buchmesse 2019
Die jährliche Teilnahme an der Frankfurter Buchmesse ist ein Muss fürs Buchvolk weltweit. Grade einzelne US-Verlagsmitarbeiter/innen entscheiden sich bei nur einem möglichen europäischen Buchmessebesuch für die London Buch Fair, wenn der UK-Markt eine besonders wichtige Rolle spielt. Bleibt für Frankfurt genug Platz für Wachstum.
Die 2019er Ausgabe der Frankfurter Buchmesse wurde vielfach als normal, gewohnt und überraschungslos beschrieben, durchaus im Sinne eines stabilen Geschäftsganges - Monats- und Quartalsschwankungen, Leserschwund und Rückgewinnungsmaßnahmen sowie Zukunftssorgen inklusive. Die oben genannten Ausreißer in Richtung Inspiration, neue Netzwerke und Geschäftskontakte erzeugen das Plus in der persönlichen Rechnung der Teilnehmer/innen.
Vielfalt ist nicht nur ein Wort bei einer Messe wie der Frankfurter Buchmesse 2019, die den reinen Publishingmarkt bei weitem übersteigt: Das Norwegische Programm (Gastland) mit Starautoren und Royals, ARTS+, Frankfurt Rights Meeting - Die Leitkonferenz für den Rechte- und Lizenzhandel, Authors Konferenz, EDU Konferenz, Audio Summit, Frankfurt Authors Areal, Frankfurt New Generation, Event Area, Gourmet Gallery, #menschundnatur, Buchpräsentationen, Lesungen im Rahmen von Openbooks und jenseits davon, Signierboxen, Happy Hours zum Vernetzen auf Verlags- und Länderständen, Messepartys uvm. Branchenanalysen und -analysten befeuern den Diskurs täglich, ja stündlich. Als Messe-PickUp der Deutsche Buchpreis mit Sasa Stanisics viel beachteter Dankesrede, und damit waren die Frankfurt-Tage beim Ausreißer von "Gewöhnlich", bei der Peter Handke-Nobelpreisauszeichnung, die die schmackhafte Messesuppe noch einmal heftig nachzusalzen wusste.
Das künstlerische Werk überstrahlt die Verfehlungen einer aufgeklärten, des Mitgefühls befähigten Kreativperson. Diese Annahme, Begründung, Fassade bröckelt, stürzt ein - immer wieder. So bei Michael Jackson, so - anders gelagert - bei Peter Handke. Somit initiierte die schwedische Akademie eine Standortbestimmung, eine längst notwendige Hausübung der Erkenntnisfindung bezüglich Künstler und Werk - fernab von zahmem Schulterklopfen, höflichem Danke und dem trügerischen Schein einer wie auch immer ge- oder missbrauchten Political Correctness. Schien es nach Peter Handkes Kür noch zunächst mit Einschränkungen akzeptabel, dass das Werk eines in politischen Fragen umstrittenen Menschen den Ausschlag für eine der höchsten literarische Auszeichnung geben darf, so ist nach einem äußerst begrüßenswerten, bunten und argumentativ vielfältigen Diskurs bei der Frankfurter Buchmesse 2019 ziemlich klar: Die Entscheidung der Nobelpreisjury ist nachvollziehbar, begründbar und falsch. Die heutige Zeit lässt es schlicht nicht mehr zu, Person und Werk zu trennen, Statuten und Preisregularien hin oder her, das werden in Zukunft Preisjurys stärker beachten müssen.
Sonst bastelte neben diesen aufwühlenden Diskussionen die Buchbranche bei der Frankfurter Buchmesse 2019 weiter emsig an der Zukunft, so u.a. auch der Literaturagent Günther Wildner und Wolfgang Tischer vom Literaturcafe.
Buch- und Filmwirtschaft flirten weiter aus inhaltlichem Interesse und wirtschaftlicher Notwendigkeit. Bücher werden verstärkt in Häppchen verpackt, wie man es aus erfolgreichen TV-Serien und Reihen kennt. Consumer rules! So war es naheliegend, dass Publishing Consultant Rüdiger Wischenbart Kelly Luegenbiehl, VP International Originals of Netflix, zum "50 CEO Talk 2019" bat. Man war sich einig, dass die Branchen die Idee eint, großartige Geschichten zu den Menschen zu bringen, ob diese nun lesen oder fern sehen oder ein und dieselbe Geschichte in beiden Formaten konsumieren. Luegenbiehl sucht in den Verlagen langfristige und verlässliche Partner, je mehr Zusammenarbeit, umso besser. Dabei will sie Buchstoffe in einer Art und Weise umsetzen, wie man das noch nicht gesehen hat. Zwar beachte Netflix Wünsche und Geschmack des Publikums, sehe aber "classic storytelling" wichtiger als Datenanalyse. Auffällig sei, wie interessiert Publikum Content aus anderen Weltregionen entdeckt und sich aneignet, was Netflix darin bestärkt, lokale Geschichten einem weltweiten Publikum schmackhaft zu machen. Buchvorlagen immer äußerst willkommen.
Neben Innovationsdichte und -druck bleiben gewisse Routinen interessanterweise bestehen, so der Lizenztanz eingeübter Skurillitätenkabinette im Frankfurter und Hessischen Hof, mit dickem Siegelring, dickem Portmonnaie und dicker Hose, Nachdruck durch Eindruck, Getränke kosten zwei- und dreistellig, alles andere loost. Kann in Anbetracht des Marktes auch nach verdammter Lüge in den Sack riechen - Nase zu und durch!
Das Agenten Center wurde in die Festhalle verlegt, was man einfach begrüßen muss: Da ist mehr Platz, die Location mondän, und das Legebatterie-Feeling von Halle 6.3 wie weggeblasen. Ein bisschen hallig und in den Cafés zu laut, aber das ging dann schon. Die deutschsprachigen Teilnehmer waren happy, weil der Weg in Halle 3 und 4 schnell zu bewältigen ist, die englischsprachigen Agenten und Verlage eher not amused, weil Hall 6 far away. Eines Tages wird die Messe neben den Förderbändern noch Scooter oder Heli-Taxis anbieten.
Österreich hatte wieder eine professionelle Präsenz: Der Hauptverband des Österreichischen Buchhandels organisierte wie gewohnt einen Gemeinschaftsstand, wo eingebettet in die WKO-/AWO-Fläche mit Wiener Kaffeehausflair 28 österreichische Verlage ihre Bücher ausstellen und ihre Termine wahrnehmen konnten. Insgesamt waren 82 heimische Aussteller, inklusive der Verlage am HVB-Gemeinschaftsstand, vor Ort. Der Österreich-Empfang im Städelmuseum mit Bundesminister Alexander Schallenberg durfte nicht fehlen und fungierte wieder als Netzwerkmagnet, nicht nur für Ösis. //
Text und Fotos: Günther Wildner