mit den Schlagworten:
harry_deborah_necessaryevilDie Sängerin von Blondie legt erneut ein tolles, wenn auch nur wenig konsequentes, Solo-Album vor.

 

 

 


Wenn nach 19 Sekunden der unnachahmliche Gesang von Deborah Harry einsetzt, sie nach 57 Sekunden im Refrain ihre stimmlichen Höhen erstmals auslotet, und der Schlagzeug-Beat in eben jener fulminanten Eröffnungsnummer "Two Times Blue" an die Post-Punk-Ära der frühen 1980er Jahre erinnert, steckt doch mehr Gegenwart dahinter, als man vorweg vermuten möchte. Für einige Momente im Pop-Universum galt die Sängerin von Blondie als die am meisten angesagte, beliebteste und am meisten geliebte, und überhaupt, als beste aller. Die Zeiten änderten sich, wie wir alle wissen, aber immerhin schaffte es Deborah Harry über all die Jahre nicht gänzlich in der Versenkung zu verschwinden, im Gegenteil.

Mit ihrer Band Blondie schaffte sie vor ein paar Jahren ein überraschendes wie kommerziell äußerst erfolgreiches Comeback, inklusive Hitsingle und Tournee, und nun veröffentlicht sie – ohne Blondie - mit dem Album Necessary Evil ein noch viel besseres Album, ausgelotet zwischen geschliffener Eleganz und kantenreichem Mut. 17 Lieder sind es geworden, was zwar ein paar Lieder zu viel ist, die mehrheitlich aber zu überzeugen wissen. Herausragend das ekstatisch-abgehobene "You’re too hot" und das mit einer geheimnisvollen – an Krimiserien erinnernden - Bassfigur ausgestatteten "Love with Vengeance", sowie das abschließende jazz-liebliche, gewissermaßen pseudo-kitschige "Paradise".

Die Sängerin überzeugt mal mit Drastik in Ausdruck, mal mit Ausgelassenheit oder ganz einfach mal mit überlappender Energie. Versöhnlich wirkt sie selten, sie hinterfragt den Begriff und Zustand von Liebe an sich ("What is Love", "If I had you"), ist verschmitzt tiefschürfend einsilbig ("Dirty and deep"), sehnt sich nach Sex ("Heat of the Moment"), klinkt sich davor aus ("You’re too hot") oder sinnt nach Rache ("Love with Vengeance"). Die an und für sich fürs Mainstream-Radio tauglichen Melodien versieht Deborah Harry oft mit bis zur Absurdität genährten progressiven Passagen, alles "Schöne" und "Liebliche" willkürlich von sich weisend, um im Gegenzug (um nicht zu schreiben, im nächsten Atemzug) wieder in ihre verführerische Rolle als Hitlieferantin zu schlüpfen. Inkonsequent? Vielleicht. Aber irgendwie darf sich Deborah Harry alles erlauben, ob abgeflachte Punk-Attitüden in "Whiteout" und "School for Scandal" oder bereits angedeuteter Liebreiz in "What is Love" und "Paradise". Na ja, fast alles. Einige Lieder, wie z.B. "Charm Redux", "Jen Jen" und "Naked Eye", sind nicht mehr als Füllwerk. Weniger ist eben doch mehr. Weil’s wahr ist. (Manfred Horak)

CD-Tipp:
Deborah Harry - Necessary Evil
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Musik: @@@@
Klang: @@@@@
Label/Vertrieb: Eleven Seven Music/Universal (2007)

Link-Tipp:
DVD-Kritik Blondie - Live