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gegenstimmen_teaserEin 50-köpfiger Chor auf der Bühne des Kosmos Theaters. Publikum und Chormitglieder treten parallel zueinander auf. Oder ein. Das Publikum besetzt die vorgesehenen Stuhlreihen, der Chor betritt plaudernd die Bühne. - Dieses beidseitige Entrée lässt auf einen ungewöhnlichen Musik-Gesangs-Abend hoffen. 






'Die Arbeit ist gebenedeit unter den Plagen'

Die Sänger/innen geraten gleich zu Beginn in ein hitziges Brainstorming. Worüber soll gesungen werden, was hat man schon wieder vergessen zu thematisieren usw? In einer recht lockeren Art werden Ideen hin und her geworfen – die Chormitglieder sitzen bunt verstreut an Tischen – und schließlich wirft man sich in die Realität der Arbeitswelt.
 

Jeder ist seines Glückes Projektmanager,
jeder ist seines Glückes Shareholder,
jeder ist seines Glückes Anbieter,
jeder ist seines Glückes Hardware.
(Auszug aus 'Chancen')

gegenstimmen_foto_ulrike_wieserStimmgewaltig bringt der Chor die verschiedenste Facetten der Arbeit(slosigkeit) auf den Punkt, thematisiert die Angst der Stellenbewerber vor dem entscheidenden Gespräch und vor der möglichen Niederlage. Und auch die neuen Selbständigen werden nicht vergessen. Bei den Solo-Passagen des ersten Teils gibt es leider einige stimmliche Unsicherheiten, worunter das Textverständnis leidet. Der Chor in seiner Gesamtheit kompensiert jedoch dieses Schwächen und wird stark von der Spielfreude der Sänger/innen getragen, allesamt engagierte Laien.
Im Laufe des Abends steigert sich das gesamte Team. Die späteren Solo-Teile sind berührend und herrlich ironisch aufgebaut. Auch die dramaturgischen und choreographischen Möglichkeiten, die ein derart großer Chor bietet, werden gut ausgelotet. Allein der etwas redundante Griff zum Handy nervt ein wenig. Natürlich kommt es recht gut hinüber, wenn 50 Leute gleichzeitig telefonieren und damit einen Übergang zur nächsten Passage markieren, aber angesichts des sonstigen Ideenreichtums könnte die Regie auch in diesen Sequenzen tiefer gehen.

'Arrivederci, Arbeiterklasse'  

Die veränderten Bedingungen am Arbeitsmarkt waren eine Triebfeder für die Neukomposition von STELL DICH EIN. Die Gegenstimmen verabschieden sich von der alten Arbeiterklasse. Es muss etwas Anderes kommen, denn die alten Arbeiterlieder gegen den Kapitalismus haben endgültig ausgedient. 

Die guade oide Stechuhr,
die guade oide Handtaschenkontrolle beim Werkstor,
die guadn oidn Widersprüch
und auch die Nebenwidersprüch
zu die Widersprüch,
des ham sie alles abmontiert. ...

...Der dritte Weltkrieg ist der Weltmarkt.
So schaut’s nämlich aus.
Und als Land der Zukunft musst du heutzutag besonders hämmerreich sein,
drum samma olle frei.
Mir fühln uns a bisserl scheiße und auch a bisserl high...
(Auszug aus 'Freiheitslied')

Die Werke von Erke Duit wurden übrigens bereits beim steirischen herbst, dem Donaufestival und im Parlament (ur)aufgeführt. Bei STELL DICH EIN war der gesamte Chor in die Entwicklung des Programms involviert. In seinen besten Passagen erinnern die einzelnen Sequenzen an gutes Musiktheater. Die scheinbare Privatheit, die mit durchinszenierten Passagen kombiniert wurde, ergibt im Gesamtbild einen recht gelungenen musikalischen Gesamt-Mix. – Nicht zuletzt auch dank der Unterstützung der begleitenden Musiker. (Text: Evelyn Blumenau; Fotos: Peter Stöckl; Probenfoto: Ulrike Wieser) 

gegenstimmen_foto_peter_boeckl

Kurzinfos:
Bewertung: @@@
Konzept: Gegenstimmen
Text: Frank Apunkt Schneider (monochrom)
Musik: Erke Duit
Regie: Miguel Angel Gaspar
Klavier: Erke Duit
Trompete: Franz Wallner, Matthias Schwetz
Posaune: Clemens Hofer
Bassposaune: Franz Polak

Nächste Aufführungen:

Donnerstag, 27. März und Freitag, 28. März 2008 (jeweils 20 Uhr)
Kulisse 1170 Wien, Rosensteingasse 39
Tel: 01 / 485 38 70

Link-Tipps: 
www.gegenstimmen.org
Kulisse