"Jetzt singt sie auch noch" heißt Barbara Schönebergers erstes Album. Das spricht für Selbstironie und Ehrlichkeit. Ehrlich ist auch der Titel der zweiten Publikation: "Nochmal, nur anders".
Frau Schöneberger ist ein medialer Tausendsassa. Kolumnistin, Fernsehmoderatorin, Gala-Conferenciere, zeitweise Pin-up-Girl, Comedian und auch Talkshow-Gastgeber bei staatlicher, will sagen, seriöser Sendeanstalt. Dabei ist sie so erfolgreich, nicht etwa, weil sie nur fesch ausschaut oder angepasst ist, nein, eben weil sie heraussticht aus der Masse konformer Püppchen und blutleerer Ansagerbeaus. Warum also fängt sie jetzt zu singen an? Eben deshalb: Weil sie macht, was sie will. Ich bin sicher, dass es bei ihr nicht nach dem modernen Schema "VJ, Sänger, dann Schauspieler und mit 36 die Biografie schreiben" abläuft. Vielmehr war ihr das Singen ein Herzenswunsch wie vielen. Jetzt hat sie die Möglichkeit, jetzt wird's gemacht - Begabung sekundär. Damit zur Musik selbst. Man hört, dass die 2010 36-jährige keine professionelle Sängerin ist. Das zu offenbaren scheute sie sich auch bei mehreren Auftritten im deutschen Fernsehen nicht. Behauptet hat sie das ja auch nie, kokettiert lieber mit ihrem Unvermögen, was natürlich wieder Sympathien bringt. Damit Lieder gefallen, müssen sie ja auch nicht stimmlich perfekt präsentiert werden. Beispiele dafür gibt es zuhauf. Wichtiger ist die Kompatibilität von Lied und Interpret. Irritierend ist, dass Barbara Schöneberger oft so klingt als hätte sie einen Schnupfen nicht ganz auskuriert. Ist wohl bei ihr normal, da auch schon auf dem ersten Album zu hören. Handwerklich gibt es nichts auszusetzen: Eingängige Melodien, wunderbare Arrangements von Wolf Kerschek, die effektvoll die Texte in Musik übersetzen und Verse, die mit den gängigen Tropen wie z.B. Alliterationen und Assonanzen ("Man muss sein Liebesleben lieben") nicht geizen. Auf den Text soll aber noch ein bisschen genauer geschaut werden. Er ist natürlich oft doppeldeutig wie von den Cicero-Stücken bekannt, allerdings ohne überraschende Auflösungen der Geschichten und nur selten raffiniert frivol wenn es um pikante Themen geht, wie man es an Liedern der 20er- und 30er-Jahre schätzt. Oft sind die Anspielungen so derb und unverblümt, dass das Prädikat "ordinär" schon überstrapaziert wäre und "plump" eher angemessen. Frank Ramond, der seit 2009 auch Lieder für sich selbst schreibt und 2010 damit auf Tour ist beschreibt sich auf seiner Homepage als Mann-Mann, quasi prototypisch maskulin. Das erklärt wohl auch seinen Erfolg mit den Cicero-Texten, die davon leben, das Verhältnis Mann-Frau extrem zu polarisieren. Er produziert da Stereotype, die viel Zuspruch finden (gerade bei Frauen, wenn auch aus Männersicht!) und auch mir gefallen, weil sie - per definitionem - schön einfach sind, die Welt weniger kompliziert machen als sie ist. Als Mann-Mann für eine Frau zu schreiben ist wohl aber schwerer, schließlich fremdes Terrain. Was er darüber weiß, weiß er ja nur aus zweiter, eher dritter Hand. Das Ergebnis klingt für mich deshalb konsequent wie ein erdachter Gegenpol, ein virtuelles Negativ. Nur ein Beispiel dafür: Der Titel "Denk jetzt bitte an ein Nilpferd" schildert ein Paar beim Sex, wobei sie ihn bittet, den Höhepunkt eben durch Ablenkung hinauszuzögern. Die "Klimax zum Ziel" wird toll musikalisch präsentiert, aber nichtsdestotrotz spiegelt der Text vermutlich nicht die weibliche Wirklichkeit wider: "Denk an die Sachen fürs Finanzamt" wird wohl nicht der heiße Wunsch der Partnerin bei ekstatischer Vereinigung sein. Auch "schubladig" die Nummer "Ich steh auf Jungs", die einer Frau mit Faible für schwule Männer in den Mund gelegt ist, aber im Grunde doch nur die Sicht eines Gar-Nicht-Schwulen auf die homosexuellen Geschlechtsgenossen ausweist. Möglicherweise einen Versuch in Richtung Pervertierung der traditionellen Geschlechterrollen stellt "Du machst die Liebe" dar: Die Frau geht arbeiten ("…und ich mach das Geld") und das Anhängsel bleibt zuhause. Einzige Aufgabe des Mannes hier: Gesund, schön, durchtrainiert und "scharf" sein. Das kann man aber auch satirisch hören: Das verkehrte Modell von Sugar Daddy und Barbie Girl als Kritik am Original. Vielleicht ist es aber doch nur der Beitrag eines männlichen Texters zur feministischen Bewegung, der ihm für eine zeitgenössische Frauenplatte hilfreich, notwendig oder gar unausweichlich scheint. "Nochmal, nur anders" ist dem Vorgänger wirklich ähnlich, bietet jedoch fast ausschließlich neue Stücke statt frisch aufgelegte Klassiker und insgesamt weniger Swing. Nett anzuhören ist die Sammlung, stimmig, gutlaunig. Wer im Radio bei Schlagersendern zuhause ist, aber sich oft schon modernere Arrangements und frechere Texte gewünscht hat, dem sei das Album wärmstens empfohlen. Dem Rest nicht. (Peter Baumgarten)
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