Als Allan Harris mit seiner Band in der Staatsoper den Abend für Al Green eröffnete, stahl er dem Hauptakteur schon beinahe die Show. Stehende Ovationen für eine Vorgruppe sind nicht an der Tagesordnung, ebenso wenig wie Menschen, die Kugelschreiber beim Nachbarn ausborgen, um sich Musikernamen zu notieren. Beides war zu sehen beim Auftritt des amerikanischen Universal-Quintetts. Das Jazzland stillte die Lust auf Mehr.
Aber nicht nur einen, sondern gleich vier Abende gab es die Gelegenheit, sich an musikinduziert guter Laune zu berauschen: Von Sonntag, 4. Juli (vom Vorprogramm aus der Staatsoper direkt an den Schwedenplatz), bis Mittwoch, 7. Juli 2010, waren die Amerikaner im neuerdings rauchfreien (wie der Inhaber gerne betonte) Kellergewölbe zu Gast. Doch zunächst: Wer ist Allan Harris? Antwort: Ein New Yorker Sänger und Gitarrist, dessen Alter schwer zu ermitteln ist (seine Homepage verrät, dass er als Kind ab und an von Louis Armstrong höchstpersönlich gehütet wurde - die 40 wird er dann wohl bereits hinter sich gelassen haben) und dessen Genre-Schublade überhaupt nicht auszumachen ist. Man könnte eher von einem ganzen Baukasten sprechen. Sich selbst als "an american voice" bezeichnend, deckt er wirklich vieles ab, was populäre amerikanische Musik hervorbrachte. Samtweich singt er und ist damit prädestiniert für Soul, R&B, Broadway und das weite Feld Pop. Ohne den Versuch, sich zu verstellen interpretiert er aber auch Folk, Gospel, Blues und vor allem Jazz als sei das seine und jeweils einzige Musik. Ein Vergleich: Allan Harris klingt bei Jazzstandards wie Tony Bennett mit Warmfilter, dafür ohne Valium und Vibrato. Will sagen: Angenehm ohne schläfrig zu sein. Er ist überhaupt ein "Ohrschmeichler". Unglaubliche Spielfreude Mit erstaunlicher Sicherheit intonierte er live (ob in der Oper oder im Jazzland), ging spielerisch durch anspruchsvolle Passagen, sang soulig-samtig in allen Lagen. Dadurch entstand die Gelassenheit, die den Zuhörern die Schwierigkeiten eines Abends verbirgt; genau dieses spielerische Spiel braucht es, um die Chemie zwischen Publikum und Musikern nicht zu vergessen: Trotz schon einigen Spielstationen hinter und noch vielen vor sich verstanden es die fünf, das Gefühl von Einzigartigkeit zu vermitteln. Sie hatten Spaß auf der Bühne miteinander, banden das Publikum mit ein und versprühten schlicht gute Laune. Hier soll eine vielleicht speziell US-amerikanische Tugend gelobt werden: Professionelles Unterhalten, egal ob in der Nacht zuvor schlecht geschlafen wurde oder es die dritte Show am Tag ist. Extra erwähnt werden muss hier der Routinier der Band, Saxofonist Jesse Jones. Nicht nur da ein wunderbarer Solist, sondern auch wegen seiner unaffektierten, selbstironischen Showeinlagen war er der Star des Abends, bekam wie schon in der Wiener Staatsoper auch auf der kleinen Bühne vom Jazzland den größten Applaus. Zum Schluss des ohne Pause zweieinhalbstündigen Gigs mit keinem einzigen schweren, nachdenklichen Titel, während dem man lieber auf dem Klo gewesen wäre, wurden ein paar Standards ausgepackt: "Fly me to the moon" als Soulballade, "You make me feel so young" klassisch, "On the street where you live" im 12/8-Shuffle, "Smile" als Beguine und "What a wonderful world" als Uptempo-Nummer zum Mitsingen. Der Abschied seitens des Publikums war unfreiwillig. Darunter übrigens viele, die sich das Programm schon mehrmals gönnten. Auch ein Indikator für mitreißende Unterhaltung. Wer meinem Urteil nicht glaubt, so vielleicht einem anderen: Gesagt wurde in der Staatsoper, es sei Al Greens ausdrücklicher Wunsch gewesen, im Vorprogramm Allan Harris zu haben. Sicher ist, dass das eine gute Wahl war. Nicht nur, weil er für ausgelassen positive Stimmung sorgte, sondern auch, weil er vielen diesen großartigen und noch zu unbekannten Künstler entdeckt hat. Und das hat Al Green dann wohl mit den Betreibern des Jazzlands gemein. (Peter Baumgarten)
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