Die österreichische Sängerin Susanne Plahl veröffentlichte mir ihrer Band The Lighting Rod das Debüt-Album "Brand New Recipe" und traf sich mit Robert Fischer zu einem gemütlichen Gespräch.
Angenehm, wenn man für ein Interview mal nicht in ein schickes Hotel oder ins Büro der Plattenfirma pilgern muss, sondern einfach nur zum Wirt ums Eck. Da die Sängerin Susanne Plahl im 20. Bezirk wohnt und Kulturwoche.at Redakteur Robert Fischer gleich nebenan im 2. Bezirk, traf man sich zum Interview über ihr CD-Debüt "Brand New Recipe" (Styx Records) einfach in der Mitte. Das war in diesem Fall die Pizzeria 'Mafioso' am Gaußplatz. Bei einer feinen Sardellen-Pizza und Bier erzählte Susanne Plahl über die Entstehung von "Brand New Recipe", legendäre Konzerterlebnisse mit Bo Diddley und warum für sie die Heimat des Blues eindeutig in Afrika liegt. Kulturwoche.at: Einige Songs von "Brand New Recipe" haben mich sehr überrascht, ich hatte mir das Ganze viel bluesiger ausgemalt. War das beabsichtigt? Ich dachte, Du bist hauptsächlich im Blues unterwegs? Susanne Plahl: Ich sehe mich gar nicht unbedingt als Blues-Sängerin! Blues singe ich nur in den letzten Jahren ziemlich intensiv. Ich würde sagen, ich bin eine Sängerin und liebe den Blues! Doch obwohl mein Herzblut schon seit Jahren in diesem Bereich liegt, singe ich auch gerne andere Sachen. Ich habe z.B. auch in einer Funk-Band gesungen und liebe diesen Stil genauso. Was den Blues so schön macht für einen Sänger bzw. eine Sängerin, ist, dass man sehr stark improvisieren kann. Wenn ich einen fremden Titel singe, befasse ich mich vorher sehr mit dem Text, das ist für mich wie eine Kurzgeschichte oder ein Theaterstück, und versuche dann in meiner Interpretation, das emotional so hinzubringen. Es gibt z.B. ein paar Songs, die kann ich einfach nicht singen, weil der Inhalt so spezifisch für einen Mann geschrieben ist, dass es lächerlich wäre, wenn ich das als Frau singen würde. Das würde nicht passen. Wie entstehen Deine Songs? Legst Du das Genre des Songs schon am Beginn der Komposition fest? In welche Richtung meine Stücke gehen, entscheidet sich meistens zufällig. Dass auf "Brand New Recipe" manches kein Blues ist, war nicht beabsichtigt, sondern hat sich so entwickelt. Wenn ich einen neuen Song schreibe, sind Melodie und Text meistens gleichzeitig da. Aber am Text feile ich dann noch etwas herum. In vielen Songs von "Brand New Recipe" geht's um Beziehungsgeschichten wie z.B bei "Why Me". Das ist so ein klassischer anklagender Song nach dem Motto "Warum passiert das gerade mir?". Dann suche ich die Akkorde für das Stück heraus, und so entwickelt sich das. Mancher Song entpuppt sich dann als Blues, manche gehen auch in eine andere Richtung. Ich habe ja keine formelle musikalische Ausbildung, aber ein recht gutes Harmoniegefühl. Deswegen ist die Richtung bei manchen Songs schneller klar, während sich das bei anderen Liedern erst im Studio durch die Mithilfe meiner Band 'The Lighting Rod' ergibt. Da hilft mir auch der Gitarrist Hermann Posch sehr, der "Brand New Recipe" ja auch produziert hat. Man könnte sagen, ich bin die Mama, und er ist der Papa der Songs (lacht)! Ich finde, der Vergleich passt! Also war Hermann Posch bei der Produktion von "Brand New Recipe" sozusagen auch Dein wichtigster kreativer Partner? Ja, auf jeden Fall! Bei manchen Liedern, z.B. beim Titelstück, wusste ich schon von Anfang an, dass ich mir dafür eine eher "funkige" Ausrichtung wünsche. Oder z.B. bei der ersten Nummer, "Except For Me", war schnell klar, das wird ein Blues. Aber z.B. bei "Don't Hurt Yourself" war mir nicht so klar, was das jetzt ist. Dann habe ich es dem Hermann vorgespielt, und er sagte nur: "He, das ist ein Blues!" So ein Feedback von außen kann manchmal sehr hilfreich sein. Was schätzt Du an Hermann Posch? Auf jeden Fall den Umstand, dass er ein sehr vielseitiger Blues-Gitarrist ist. Er spielt z.B. auch Lieder von Tom Waits und hat mit anderen Genres kaum Berührungsängste. Im Gegensatz zu mir verfügt er auch über ein großes Wissen über den Blues, er ist da fast wie ein Lexikon. Hermann weiß z.B. sehr viele Details zu einzelnen Liedern, ist aber trotzdem immer offen und empfänglich für neue Ideen. Mir ist auch wichtig, dass er kein Blues-Fundamentalist ist, der sagt, dass man diesen und jenen Song nur so und so spielen kann. Was ich nicht leiden kann, ist die so genannte "Blues-Polizei", also Leute, die extrem konservative Ansichten darüber haben, wie der Blues zu spielen ist und alles andere im Vorhinein verurteilen. Wo liegen Deine wichtigsten musikalischen Einflüsse? Ich bin mit The Beatles, The Rolling Stones, Led Zeppelin und The Who aufgewachsen. Zum Blues bin ich erst später, so ca. mit 23 Jahren gekommen. War da ein bestimmtes Erlebnis ausschlaggebend? Nein, da sind ein paar Sachen zusammengekommen. Ich war damals in meiner ersten Band, einer Garagen-Band, durfte dort aber immer nur ein paar Verzierungen singen, den Ton gaben v.a. die zwei Gitarristen an. Damit war ich sehr unzufrieden, und wollte noch ein zusätzliches Instrument haben, um in der Band mehr mitzumischen. Da fiel mir ein, dass mein Vater früher immer Mundharmonika gespielt hat. Dann habe ich im Bazar ein Inserat aufgegeben, dass ich einen Lehrer für Mundharmonika suche, und so habe ich meinen damaligen Freund kennen gelernt. Er hat mich dann einmal in das legendäre Lokal "Papas Tapas" mitgenommen [Wiener Treffpunkt der Blues-Szene in den 1980er und 1990er Jahren; Anm.] und dieses ist dann ganz schnell zu meinem verlängerten Wohnzimmer geworden. Dort habe ich viele Künstler der Wiener Blues-Szene zum ersten Mal live gesehen, und auch wenn z.B. an einem Abend das Fernsehprogramm schlecht war, hat sich das "Papas Tapas" immer als perfekte Alternative angeboten. So ist für mich plötzlich die Türe zum Blues aufgegangen. Die andere Sache ist, dass mich meine Eltern einmal, als ich etwa 14 Jahre alt war, zu einem Bo Diddley-Konzert in die Szene Wien mitgenommen haben. Wir haben damals im 11. Bezirk, also ganz in der Nähe der Szene Wien gewohnt und mein Vater sagte: "Wir gehen heute zu Bo Diddley!" Ich antwortete: "Wer ist Bo Diddley?", aber mein Vater sagte nur: "Egal, du gehst mit!" Dann bin ich eben mit, hatte absolut keine Ahnung, was mich erwarten würde. Letztendlich war ich von dem Konzert so begeistert, dass mich mein Vater, ganz am Ende des Konzerts, als schon das Saallicht an war, aber Bo Diddley nicht und nicht zu spielen aufhören wollte bzw. ungefähr schon die 27. Zugabe gab, fast an den Haaren aus dem Saal ziehen musste (lacht)! Du kommst also aus einer musikalischen Familie? Ja. Mein Vater hat, wie schon erwähnt, Mundharmonika gespielt. Zwar nicht besonders gut, und auch nur im privaten Rahmen, aber alles, was du als Kind siehst und hörst, nimmst du ja unbewusst auf. Meine Mutter hat Gitarre gespielt und gesungen, auch selber gedichtet und kleine "Gstanzln" fabriziert. Daher war das für mich völlig normal, dass man musiziert und singt, und dass man nicht singen kann, war für mich genauso, wie wenn man nicht gehen kann (schmunzelt)! Ich habe ewig lange gebraucht, bis ich festgestellt habe, dass nicht jeder singen kann! Ich kann mich auch noch daran erinnern, dass mir mein Vater, als ich ca. 6 oder 7 Jahre alt war, mehrere Male "Whole Lotta Love" von Led Zeppelin in voller Lautstärke vorgespielt hat, weil ihm dieser Song einfach so getaugt hat (schmunzelt)! Die Liebe zur Musik wurde mir also schon ein bisschen in die Wiege gelegt, meine Eltern haben mich auch bei meinen musikalischen Bemühungen immer unterstützt. Du hast vorher schon erzählt, dass sich ein großer Teil der Songs auf "Brand New Recipe" um Beziehungsgeschichten dreht. Gibt es auch noch andere Themen auf dem Album? Na ja, beim Song "Brand New Recipe" geht's um eine Art erotische Verlockung. So auf die Art, ich habe ein tolles, neues Kochrezept, aber du musst zu mir nach Hause kommen, um es auszuprobieren (lacht)! Auch der Albumtitel "Brand New Recipe" und das CD-Cover, wo ich eine Kochschürze anhabe, haben einen realen Bezug zu meinem Leben. Einerseits ist mit dem Titel gemeint, dass alle, die meine Musik hören, hoffentlich gleich davon eingekocht werden (lacht)! Aber ich koche auch selbst wirklich gerne. Ich liebe gutes Essen, liebe es zu kochen und ich mag auch sehr, von anderen bekocht zu werden. Kochen macht mir viel Spaß, und ich finde, es ist auch extrem kreativ. Gerade in unserer schnelllebigen Zeit finde ich es wichtig, sich fürs Kochen und das gemeinsame Essen Zeit zu nehmen. Die meisten Musikwissenschaftler sind sich einig, dass die Heimat des Blues in Afrika liegt. Du warst schon in Afrika, und wirst auch 2011 wieder hinreisen. Wie waren deine Erfahrungen dort? Ja, ich bin auch überzeugt, dass die Wurzeln des Blues in Afrika liegen - ich war selbst dort und habe es erlebt. Es gibt die wunderbare Dokumentation "Feel Like Going Home" [von 2003, Regie: Martin Scorcese - siehe DVD-Kritik; Anm.], wo der US-Blues Musiker Corey Harris Westafrika, wo ich auch in Kürze wieder hinfahre, besucht, und dort die Wurzeln des Blues findet. Ich habe in Westafrika Ähnliches erlebt. Die Menschen in Afrika reagieren auf Musik wie hypnotisiert. Das ist, wie wenn man plötzlich den "Einschalt-Knopf" dieser Menschen drückt! Sie reagieren total unmittelbar auf jede Art von Musik! Meiner Meinung nach sollte jeder Blues-Musiker Afrika besuchen, um zu begreifen, woher der Blues kommt. Es gibt ja auch die tolle CD von Ry Cooder, auf der er mit dem afrikanischen Gitarristen Ali Farka Toure zusammenspielt ["Talking Timbuktu" von 1994; Anm.]! Genau, die gefällt mir auch sehr! Noch eine kleine Anekdote: Wir haben einmal in Afrika auf ein Taxi gewartet, das nicht daher gekommen ist, und haben aus Langeweile einen 6-er Pasch aus Tirol [gemeinsames rhythmisches Klatschen der Burschen und Männer im österreichisch-bayrischen Raum; Anm.] geklatscht. Sofort sind Leute auf uns zugekommen und haben mitgemacht und mitgeklatscht! Das ist ganz typisch dafür, wie stark die Menschen in Afrika auf Musik reagieren. Das war echt unglaublich! Was sind Deine nächsten Projekte? Ich möchte in der nächsten Zeit die neue CD "Brand New Recipe" so oft wie möglich live vorstellen, außerdem ist im Jänner 2011 im Davis in Wien wieder ein Konzert meines Projekts "Local Vocals". Das ist eine Jam-Session, gemeinsam mit vielen anderen Musikern und tollen Sängern und Sängerinnen, wie z.B. Rev. Frank TT, Peter Dürr, Meena Cryle, Sibylle Kefer, Lilli Kern etc. Danke für das Gespräch!
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