Weihnachtslieder aus der Kirche, aus dem Volksmund und den USA aus der Goldenen Ära des Jazz stehen hier im Fokus der glänzenden Augen, die noch immer oder immer wieder auf der Suche nach außergewöhnlichen Weihnachtsalben sind. Am weihnachtlichen Präsentierteller: Annie Lennox, The Puppini Sisters, Aniada a Noar & Prijatelji, Erich & Pauline Falkner, The Crush, Die Weihnachtsmander und die Compilation-Reihe "moreorless Christmas".
Ein Füllhorn an kirchlicher Strenge mit Annie Lennox
Anders als z.B. Bob Dylan, der 2009 mit Christmas in the Heart ein dem Albumtitel entsprechend unglaublich wärmendes Weihnachtsalbum ablieferte, spielt Annie Lennox einmal mehr den unterkühlten Engel, Cold as Ice, mit all der katholischen Strenge, die uns in den ausgewählten Liedern entgegenschlägt. Ein Lächeln bringt man bei diesem Album kaum zustande. Und überhaupt: Klassik Fans werden die Nase rümpfen, Rock Fans laut schreiend davon laufen - Annie hat es sich also ziemlich schwer gemacht, das liegt aber nicht nur an den Liedern, sondern auch an den eigenartig anmutenden Arrangements und Stimmverzerrungen, die zum Teil so unwirklich klingen wie die Geschichte der unbefleckten Empfängnis. Umso absurder, dass ich mittlerweile das Album sehr gerne höre, vielleicht auch deshalb, weil das Klangbild eine extreme Wucht vermittelt. Man denkt sich dabei unweigerlich in eine Kirche, in der bei der Messe nicht nur die Frohbotschaft übermittelt wird, sondern auch gleich Bußen auferlegt werden. Demut, Kniefall, Hände falten und 3x Vater Unser. Kurz und gut: "A Christmas Cornucopia" von Annie Lennox ist ein eigenartiges Album mit unbändiger Kraft. Streng und alles andere als zart. Dafür kalt wie eine Kirche.
Christmas with the Puppini Sisters
Lustig lustig tralala hingegen ist bei den 3 Puppini Sisters angesagt, die freilich keine Schwestern sind, aber halt so tun als ob. Und auch das Gesangs-Trio führt uns in die strenge Kammer, wenn auch im Vergleich zu Annie Lennox es gegensätzlicher kaum gehen könnte, Stichwort "Last Christmas". Alleine für diese Version (das Original ist ja von Wham!) gebührt ihnen eine Strafpredigt von Lennox. Das weihnachtliche Unlied schlechthin zu verjazzen ist ja nichts Neues, bereits Till Brönner verging sich an diesem Lied [er sagte mir damals beim Interview, es musste sein, weil er das Lied auch nicht mag und zumindest versuchen musste, was g'scheites draus zu machen; Anm.]. Na ja, ganz übel jedenfalls. Fast ebenbürtig schlimm beginnt das Album mit "Step Into Christmas" von Elton John und Bernie Taupin. Einen schlechteren Einstieg kann man kaum wählen ("Last Christmas" mal ausgenommen) und da helfen dann nicht einmal mehr Interpretationen von "Here Comes Santa Claus", "Mele Kalikimaka" und "Winter Wonderland" nach dem Vorbild von Bing Crosby und den Andrew Sisters - alleine deshalb, weil man diese drei genannten Lieder ja auch von Crosby und den Andrews hören kann, mittlerweile sogar in recht passabler Tonqualität. Gut gemeint, aber voll daneben.
Aniada a Noar & Prijatelji feat. Natasa Mirkovic-De Ro / Matthias Loibner
Viel Licht verspricht das gleichnamige Album "Liacht / Svjetlo" mit Volksliedern aus Kroatien, Bosnien, Serbien, Sizilien und aus dem Salzkammergut. Auch keine leichte Kost, aber eine, die es wert ist, dass man sich näher damit beschäftigt. Kein zwischendurch Hören bitte schön, sondern gute Sitzposition einnehmen, ruhig einatmen und hören. Andächtig folkloristisch mit Drehleier, wunderbar gespielt vom Drehleier-Meister aller Drehleier-Meister Matthias Loibner und ebenso gefühlvoll gespielt von der steirischen Band Aniada a Noar [die Band legte bereits einmal ein außergewöhnlich gutes Weihnachts-Mini-Album vor; siehe CD-Kritik; Anm.] sind die vorliegenden 13 Lieder ein Genuss für die Sinne. Stille mit Stil. "Jetzt fangen wir zum Singen an", heißt ein Lied, aber da sind wir bereits längst ergriffen. Oh du fröhliche!
Wia lustig is im Winter!
Erich & Pauline Falkner, die Eltern von Hans Peter Falkner (Attwenger), singen auch Weihnachtslieder, natürlich, muss man dazu sagen, und auch diesem Album kann man einer gewissen Strenge nicht absprechen, aber halt auch wieder ganz anders als die zuvor genannten. Mit Annie Lennox haben sie weniger am Hut als mit Aniada a Noar, gefühlsmäßig zumindest. Die musikalische Qualität ist Marke Hausmusik, zwischen den Liedern (die kaum die 2-Minuten Grenze überschreiten) werden gar so lustige Geschichten erzählt. Bei den insgesamt 30 Stücken auf "Wia lustig is im Winter!" hört man außerdem sehr gut den Unterschied zwischen volkstümlicher und volksdümmlicher Musik. Oder, wie es so schön heißt: "Es gibt soiche und soiche, die soichen san ma liaba".
Season's Classics & Traditionals
Ho ho ho! Reingefallen und ätsch bätsch! Das Christkindl Adriana Zartl und die Band The Crush präsentieren sich zwar gut gelaunt und stromlinienförmig, Weihnachtsstimmung kommt bei ihren Versionen allerdings kaum jemals auf. Rockmusik und Weihnachtslied waren ja immer schon keine allzu guten Freunde, die Orientierung liegt in der Melodie, der Rest ist halt Geschmackssache. Und auch hier, ähnlich wie bei den Puppini Sisters, gilt, dass es einfach weitaus bessere Rock-Versionen von z.B. "Santa Claus Is Coming To Town" gibt (Bruce Springsteen & The E-Street Band!!), und ans Original von "Happy Xmas (War Is Over)" von John Lennon und Yoko Ono kommt ja auch niemand ran. Aber es gibt ja eine Vielzahl an Menschen, die Weihnachtsalben sammeln, also ran an "Christmas Crush".
Weihnacht, wie bist du schön
Die Weihnachtsmander Florian Bramböck (diverse Saxofone), Christian Wegscheider (Klavier und Ziehharmonika), Andy Mayerl (Kontrabass) und Klaus Hofer (Schlagzeug und Udu) legen mit "Weihnacht, wie bist du schön" ein essenzielles Weihnachtsalbum vor. Auch hier die strenge Weihnachtslied-Abteilung aus der Kirche und aus dem Volksmund, aber dermaßen originell zuwege gebracht, dass die Weihnachtsglubschaugen bereits beim Einstieg "Still, weil's Kindlein schlafen will" zu leuchten beginnen. Lieder wie "Aba Heidschi Bumbeidschi", die man sich an und für sich ja nicht wirklich freiwillig anhört, bekommen hier eine Qualität, die erstaunt. Dieses Album ist quasi das große Konkurrenz-Album zu Still und White von den Bethlehem All Stars rund um Klaus Trabitsch und Otto Lechner, beide erreichen rotwangig gleichauf das Ziel in Sachen Gunst und Glückseligkeit des Weihnachtsliedpublikums. Eine musikalische Fantasie, ein lyrischer Spaß, ein jazziger Genuss.
moreorless Christmas
Zu guter Letzt eine Compilation, frei nach dem Motto same same but different. Alle Jahre wieder - ein ganz heißer Tipp für die schönste Zeit im Jahr. Wie immer sind auch auf den "moreorless Christmas" Alben Vol. 3 bis Vol. 6 die schönsten Arrangements mit bekannten Interpreten wie u.a. Michael Bolton, Helen Schneider, Norah Jones, Laura Fygi, Joss Stone enthalten. Titel wie "Winter Wonderland", "Mistletoe" und "All I want for Christmas" sind in unvergleichlicher Weise bearbeitet und interpretiert. So erweisen sich die Compilations auch für jene spannend, die viele Weihnachtsalben kennen, denn keine Interpretation gleicht der anderen. Mit den jazzigen Interpretationen fühlt sich der Zuhörer in eine Zeit versetzt, in der es zur Weihnachtszeit mit einem gewissen Swing sicher noch entspannter zuging. Wieder einmal haben sich der exquisite musikalische Geschmack punkto Zusammenstellung der Titel und die ganz hervorragenden Interpreten in den noch dazu sehr dekorativen Alben zu einem Ganzen zusammengefunden. Für all jene, die auf Exklusivität in der Weihnachtszeit achten, ist "moreorless Christmas" ein Genuss. Und aus. (Alle Texte: Manfred Horak; Text Moreless Christmas: Karin C. Ruprecht)
CD-Tipps:
Annie Lennox: A Christmas Cornucopia
Musik: je nach Stimmung @ bis @@@@@@
Klang: @@@@@@
Label/Vertrieb: Island/Universal (2010)
The Puppini Sisters: Christmas with the Puppini Sisters
Musik: @@
Klang: @@@@
Label/Vertrieb: Verve/Universal (2010)
Aniada a Noar & Prijatelji: Liacht / Svjetlo
Musik: @@@@
Klang: @@@@
Label/Vertrieb: Extraplatte (2010)
Erich & Pauline Falkner: Wia lustig is im Winter!
Musik: @@@
Klang: @@@
Label/Vertrieb: Fischrecords/Hoanzl (2010)
The Crush feat. Adriana Zartl: Christmas Crush
Musik: @@@
Klang: @@@@
Label/Vertrieb: Hoanzl (2010)
Weihnachtsmander: Weihnacht, wie bist du schön
Musik: @@@@@@
Klang: @@@@@
Label/Vertrieb: Hoanzl (2010)
Diverse Interpreten: moreorless Christmas
Musik: @ bis @@@@@@
Klang: @@@@
Label/Vertrieb: Wavemusic (2010)