Von Anfang an dabei war Samy Deluxe, als sich die Hip Hop Szene in Deutschland etablierte. Im Eimsbush Basement entstanden in Zusammenarbeit mit seiner Mongo Klikke oder Dendemann seit den Neunziger Jahren die Songs, die in die Geschichte des deutschsprachigen Raps eingegangen sind. Katja Kramp sprach mit Samy Deluxe, dem Ausnahmetalent unter den MCs und freute sich besonders darüber, dass er für sie in Wien ein bisschen Hamburger Heimatstimmung aufkommen ließ.
Kulturwoche.at: Meiner Meinung nach klingt das neue Album 'SchwarzWeiss' eigentlich ganz anders als Deine früheren Sachen. Siehst Du das auch so und wenn ja, worin siehst Du den Auslöser dafür?
Samy Deluxe: Also ich finde, dass irgendwie eh jedes Lied anders als das davor klingt, aber das war jetzt nicht so mein Hauptding, dass ich jetzt unbedingt ein Album machen wollte, das anders klingt als alles andere. Die Produktionsweise und wie es so entstanden ist, war eigentlich wieder so wie in ganz alten Zeiten und heute sind eindeutig mehr technische Sachen möglich, also klar klingt's irgendwie anders, aber eigentlich war gar nicht geplant was dabei rauskommt, sondern es wurde einfach gemacht.
Gibt es auf dem Album einen Song, der Dir besonders wichtig ist?
Das Album besteht ja aus 16 Songs, die schon aus 120 ausgewählt worden sind, das heißt, die müssen alle irgendwas haben, so dass man sich denen immer wieder annehmen möchte. Bei den meisten, besonders 'Straßenmusik' und 'Eines Tages' habe ich sehr viel Zeit investiert. Andere Sachen kamen dann wieder relativ schnell. 'RapGenie' zum Beispiel. Der, an dem ich am meisten Zeit verbracht habe, ist 'Eines Tages', die Ballade, weil ich es hinkriegen wollte, dass der auch auf ein Rap-Album passt.
Entwickelst Du auch musikalische Ideen mit Deiner Live-Band oder ist die nur dafür da um Deine Sachen für die Bühne zu adaptieren?
Ich hatte während der Produktion auch eine Session mit der Live-Band. Viele Sachen, die es schon halbfertig gab, haben wir dann komplett eingespielt. Und zum Beispiel diese Westerngitarre bei 'Straßenmusik', das war ein Beat, den ich programmiert hatte und hab dann den Gitarristen draufspielen lassen, hab mir dann noch so nen Mundharmonikatypen geholt und das Ganze dem Zufall überlassen. Generell hab ich viel mit der Band ausprobiert.
Kannst Du ein Instrument spielen?
Naja, ich kann'n bisschen Gitarre spielen, aber ich kann nicht Gitarre spielen. Ich kann ein paar Akkorde spielen, aber ich hab trotzdem so 'ne Art Ehrfurcht vor Leuten, die das wirklich können. Das ist so, als wenn du zwei, drei Jahre lang rappst und'n bisschen den Takt halten kannst, dann kannst du mir gegenüber auch nicht behaupten, dass du gut rappen kannst. Aber die Gitarre am Anfang von 'Eines Tages', die hab ich eingespielt.
Kannst Du dadurch besser verstehen, wie Deine Musiker die Musik konkret umsetzen?
Es ist schon so, dass ein gewisser Teil an Theorie, den ich in den letzten zwei Jahren mitgenommen habe, das Ganze leichter macht, weil es ja, wie in jedem speziellen Bereich, so viele Fachbegriffe gibt. Außerdem bin ich im Bereich Gehörbildung besser als früher. Und ich bin an der Platte auch wieder gewachsen, weil ich so vieles einfach ausprobiert habe. Ich hab auch fast jedes Instrument mal selber ausprobiert und dann konnte ich mich danach entscheiden, was ich davon rausbringe. Früher gab es einfach andere Kriterien. Man brauchte 'nen Reim, der dreisilbig ist und 'nen Beat, der fett ist oder so und jetzt ist das alles schon mal da gewesen. Jetzt gab's schon Beats, die unglaublich fett waren und es gab schon jegliche Art von Reimen. Ich wollte jetzt etwas Besonderes machen, weil wenn man einfach gut ist, in dem was man macht, kann man ja eigentlich nichts wirklich schlechtes machen. Man kann zwar was machen, was einigen dann wieder nicht geschmacksmäßig zusagt, aber ich kann, glaub ich, keinen, faktisch gesehen, richtig schlechten Rap-Song machen, aber ich kann, glaub ich, wenn ich nicht aufpasse, einfach viel Standard machen und mich zu oft wiederholen und genau das machen, was ich schon viele Male gemacht hab.
Bei Deinem Konzert hast Du gesagt, dass Du früher nur Amis nachgemacht hättest, Dich aber heute selbst gefunden hast. Worin siehst Du die größten Veränderungen in Deiner Musik?
Ich hab immer viel amerikanischen Rap gehört und'n paar Jahre lang auch deutschen Rap, bis ich ihn selber gemacht hab und grad am Anfang war das von mir alles sehr ehrlich reflektierte Musik, quasi so wie ich eben bin und denk und sprech. Danach hab ich dann zu viele Inhalte, die einfach nicht zu Deutschland passen einfach aus dem amerikanischen Rap übernommen, aus reinem Fan sein, und hab über Kram gerappt, der einfach hier nicht relevant ist und jetzt hatte ich 'Poesiealbum' geschrieben und das hat nicht so ganz in die Platte gepasst, aber ich fand die Bassline so gut, dass ich sie unbedingt draufhaben wollte. Dann hab ich überlegt, wie man aus der ursprünglich poppigen Ballade eine Art 2011 Rapsong-Update machen könnte. Ich hab mir dann den Anspruch gesetzt nicht nur zu sagen, dass ich der Beste bin, sondern auch noch so viele deutsche Dichternamen wie möglich und dieses deutsche Kulturding unterbringen. Ich wollte einfach sagen, dass ich genau da anknüpfe, wo diejenigen aufgehört haben, weil es für mich in Deutschland momentan kein Äquivalent zu den großen Dichtern von damals gibt, außer eben Rappern. Es gibt bestimmt Dichter, die auch richtig gut sind, aber die sind nicht so publik. Es gibt keinen Dichter, der so bekannt ist wie Samy Deluxe oder wie Sido. Schiller und Goethe waren ja auch zu ihrer Zeit junge Typen, die sich auch weggefeiert haben mit Drogenexzessen und Frauen und was weiß ich. Also eben nicht dieses ganze Hochkulturding, das immer so poliert auf 'nem Sockel steht. Die waren ja auch einfach ganz normale Menschen, so wie ich und sind auch unkonventionelle Künstler gewesen. Und das ist jetzt eigentlich der interessantere Ansatz. Ich will einfach Texte schreiben, die für meine Rapfans und Zuhörer cool sind, die ich aber auch einem älteren Publikum vorrappen kann, das dann eben trotzdem den Wortwitz erkennt.
Was war das für ein Gefühl für Dich als Du von Deiner Musik leben konntest? War das ein wichtiger Punkt für Dich?
Das ging bei mir ja ziemlich schnell. Ich hab meine Schule abgebrochen in der 11. Klasse, dann hab ich gedacht, dass ich eigentlich nur noch Musik machen will, aber Zivildienst oder Bundeswehr musste man damals eh noch machen und dann hab ich nach zehn Monaten Zivi einfach tierisch die Schnauze voll gehabt und musste mich da irgendwie rauswurschteln. Danach hab ich ein Jahr Arbeitslosengeld bekommen und das war die beste Zeit meines Lebens. Wir haben da im Basement gewohnt, wo unser ganzer Kram entstanden ist. Das war echt 'ne coole Zeit. Und von da aus ging es dann mehr oder weniger direkt über in dieses Geld verdienen Ding. Ich musste das zum Glück nicht großartig planen oder so.
Was magst Du am liebsten an Deinem Beruf?
Die Möglichkeit zu wachsen. Ich hab mich aber durch diesen Beruf vor allem selbst sehr gut kennen gelernt. Wenn man jedes Mal so einfach rausgeschmissen wird, lernt man in der Öffentlichkeit zu reden und hab dadurch angefangen viel vor Kameras zu machen. Ich bin in dem Bereich sehr viel gewachsen, so dass ich mir jetzt zutrauen könnte 'ne super Fernsehshow zu moderieren, wenn mal'n Angebot käme, das nicht vollkommen scheiße ist. Außerdem habe ich mich durch meinen Verein auch mit extrem vielen eher politischen Dingen auseinandergesetzt und damit hoffentlich auch was bewegt. Und musikalisch durch die Produktionssache habe ich so viel gelernt und spiel zwar nicht unbedingt gut, aber ich spiel mehrere Instrumente. Das ist eigentlich das Schönste an meiner Arbeit.
Und was denkst Du heute, wenn Du frühere Songs, wie zum Beispiel 'Grüne Brille' hörst?
Ich find alles cool und weiß, warum ich es gemacht habe. Ich schäm mich eigentlich für nichts wirklich, aber ich kann aus selbstkritischen Gründen noch nicht alles wirklich genießen. Ich bin in meinen Produktionen immer sehr drin und wenn ich's abgeschlossen hab, hab ich's auch abgeschlossen. Dann lass ich es ziehen und höre ältere Sachen nur noch, um sie für ein Konzert auswendig zu lernen. Wohingegen ich aktuelle eigene Musik schon sehr gern höre. Da bin ich jetzt auf ein Level gekommen, auf dem ich meine eigenen Sachen auch genießen kann und tagelang nur meine Songs höre, allerdings nichts, was schon draußen ist. Irgendwann gibt es nämlich einen Punkt, an dem man die Musik weggeben muss, dann ist sie nicht mehr deine, sondern dann können sie alle bewerten. So schön der Beruf auch ist, aber das macht manchmal ein wenig vom reinen Spaß am Musik machen kaputt, wenn man die Songs mit so vielen Leuten teilen muss in einem Metier, welches sehr darauf bedacht ist alles zu bewerten und im Idealfall sogar schlecht zu bewerten. Das ist dann nicht einfach, wenn man weiß, dass man etwas an Leute rausgeben muss, die deine Songs bewerten. Manche feiern die Musik ja auch, feiern dann aber genau das Falsche. Das ist dann eben nicht so leicht.
Dann auf jeden Fall viel Erfolg mit Deiner neue Platte und vielen Dank für das Gespräch! //
Interview: Katja Kramp
Fotos: EMI