Neu auf Platz 1 - und das völlig zu Recht - platziert sich Ringsgwandl
mit dem Titellied aus dem Album "Mehr Glanz!". Das Album selbst wurde zudem zur CD des Monats gekürt und als Empfehlung des Monats ausgesprochen.
Die Top 10 September 2013
1. (2.) Ringsgwandl: Mehr Glanz!
aus: Mehr Glanz! (Label: Blankomusik)
CD-Kritik
2. (3.) Reinhard Mey: Dann mach's gut
aus: Dann mach's gut (Label: Odeon)
3. (4.) Maike Rosa Vogel: So Leute wie ich
aus: Fünf Minuten (Label: Our Choice)
4. (1.) Manfred Maurenbrecher: Welt ist am Durchdrehen
aus: No Go (Label: Reptiphon)
5. (NEU) Johan Meijer: Sterben für Ideen
aus: Zeitenwechsel (Label: Nederossi)
6. (9.) Barth/Roemer: Mit im Tritt
aus: Groove Chanson
(Label: Hey!Blau Records)
7. (8.) Stiller Has: Böses Alter
aus: Böses Alter (Label: Sound Service)
CD-Kritik
8. (7.) Wenzel: Meister des Kriegs
aus: Widersteh, so lang du's kannst (Label: Matrosenblau)
9. (6.) Jens-Paul
Wollenberg & Pojechaly: Ballade am Kiosk
aus: Die 7-Schläfer sind erwacht (Label: Raumer Records)
10. (5.) Bernd
Köhler und ewo²: Lied von der Macht
aus: Keine Wahl (Label: Jump Up)
Die CD des Monats September 2013
Ringsgwandl: Mehr Glanz!
Label: Blankomusik
[...] Der promovierte Mediziner, der nach mehreren Platten, erfolgreichen Tourneen und zahlreichen Kleinkunstpreisen bereits 1993 seinen Job als Oberarzt in der Kardiologie zugunsten der musikalischen Karriere aufgab, muss sich nichts mehr beweisen. "Salzburger Stier", "Deutscher Kleinkunstpreis", "Preis der deutschen Schallplattenkritik", "Prix Pantheon", "Bayerischer Kabarettpreis", Jahrespreise der Liederbestenliste... - Trotz all dieser Ehrungen und Erfolge bezeichnet sich Ringsgwandl selber nach wie vor gerne als "Multidilettant", scheint sich und das, was er tut nicht immer so ganz ernst zu nehmen, und entsprechend wohltuend unangestrengt, musikalisch wie auch textlich, kommt nun seine neue Scheibe "Mehr Glanz!" daher. Der Leichtigkeit vermittelnde, funkige Groove der neuen, jungen Band (mit Daniel Stelter, Tommy Baldu, Sebastian Flach, Christian Diener), kleidet das "Rohmaterial" des Georg Ringsgwandl vom ersten Takt an vortrefflich und hüllt die Scheibe gekonnt in den Glanz, der im Titel an- bzw. versprochen wird. [...] (Konrad Bönig) GESAMTER TEXT
Die persönliche Lied-Empfehlung
Dave de Bourg: Die Hymne des Unperfektseins
aus: Wo du mich findest
(Label: Mottow Soundz)
Empfohlen
von: Tom Schroeder, Mainz
Dem Dieter Bohlen wieder eine Seele gestohlen – auch
darum geht es in diesem Lied, selbst wenn der fromme Wunsch gar nicht
von Dave de Bourg stammt. Urheber ist der Bluesmann Toscho Todorovic,
ein erfahrener und erfolgreicher Sänger und Gitarrist. Als Toscho 2010
mit dem Lahnsteiner Festivalpreis, dem Blues-Louis, ausgezeichnet und
dabei gefragt wurde, wann denn für ihn ein Tag richtig gut sei,
antwortete er: "Wenn ich von mir sagen kann: dem Dieter Bohlen heute
wieder eine Seele gestohlen!" Die ganze Klum-Bohlerei beschränkt sich ja
nicht nur auf die Hamster-Räder von Casting-Shows und anderen
Dschungelcamps, sie hat auch die deutsche Schlagerbranche infiziert:
"Die neuen deutschen Schlagerköniginnen sehen aus wie mit einem Stich
ins Obszöne aufgebrezelte DSDS-Kandidatinnen." (Georg Seeßlen, konkret
8/2013). Die gute Nachricht: Bohlens
Einschaltquoten sinken. Das haben wir nicht zuletzt Toscho und Co. zu
verdanken. Und Künstlern wie Dave de Bourg. [...] "Die Hymne des Unperfektseins", eine kurze Ballade: 2:14 Minuten;
freies Vor- und Nachspiel, jeweils acht-taktige Strophen und Refrains,
fünf Akkorde; eine Stimme und eine Gitarre; ab der zweiten Strophe
dezent begleitet von einer zweiten Gitarre und einem Piano. "Eher
leichter Country- als Folktouch", notiert SWR1-Musikredakteur Christian
Pfarr, also wohl eher frühe Eagles als Byrds. Schlank, etwas schlaksig, freundlich, offen, selbstbewusst und daher
bescheiden – solche Attribute sind nicht untypisch für heutige
Singer/Songwriter hierzulande. Im Gegensatz aber zu einem Tim Betzko
oder Johannes Oerding ist Dave ein echter Bartträger. Mich erinnert er
mal an den jungen Stoppok, mal an Rio Reiser und ganz besonders an die
Hamburger Schule mit z.B. Bernd Begemann, Jochen Distelmeyer und Dirk
von Lowtzow. Von dessen Gruppe Tocotronic ist Dave bis heute
beeindruckt. Ach ja, der Text. Für mich ist er das entscheidende Element dieser
Hymne des Unperfektseins (wäre es allein um den Gesang gegangen, hätte
ich hier "Lass uns fahren" vom selben Album empfohlen). Es geht vor
allem um diese zwei Zeilen "Wir wollten ans Meer / Doch wir kamen nur
bis zum Fluss." Schön einfach – dieses Bild. Einfach schön. Und eher
unauffällig und daher leicht zu überhören oder zu übersehen ist hier von
"wir" die Rede. [...] Wer so etwas singt, hat Mut. Auch Mut zu scheitern. Oder zu zweifeln.
Und anzuhalten, innezuhalten. Abzuwägen, abzusagen. Nein zu sagen. Oder
es jedenfalls einmal zu versuchen mit einer Pause beim Tanz ums goldene
Ich, mitten in der "narzisstischen Epidemie" (Jean M. Twenge), beim
Rattenrennen der "Narzissten, Egomanen, Psychopathen in der
Führungsetage."(Gerhard Dammann). Christian Pfarr, der zuvor schon
erwähnte Musikkenner und Poeta Doctus: "Die Hymne des Unperfektseins ist
in sich perfekt." [...] GESAMTER TEXT
Die persönliche CD-Empfehlung
Ringsgwandl: Mehr Glanz! (Label: Blankomusik)
Empfohlen
von: Michael Lohse, Köln
"Nur Irre haben mein Zeug im Plattenschrank. Mich fragt keine Firma, ob ich Reklame mach für sie, ich bin so schwer vermittelbar, i hob nur di", singt Georg Ringsgwandl auf seinem neuen Album. Klingt ganz so, als würde der 65-Jährige mit seinem unsicheren Künstlerschicksal hadern. Doch das scheint nur so - wie so vieles bei diesem Experten für Selbstironie. Zwanzig Jahre ist es her, dass der Kardiologe aus Bad Reichenhall seinen Brotberuf an den Nagel hing um seiner Berufung zu folgen: irgendwas zwischen Musikkabarettist und Rock'n'Roller. Und dass er diesen Schritt bis heute nicht bereut hat, spürt man bei jedem Ton seines zwölften Albums, dass nur so strotzt vor musikalischer und sprachlicher Kreativität. Ein zugleich doppelbödiger und resignativer Grundton durchzieht das Werk. Das beginnt schon, wenn er im Titelsong "Mehr Glanz!" fordert, der sich bei ihm auf die fehlende "Substanz" reimt. Was zunächst klingt wie ein Protestsong mit abgedroschener Empörungsrhetorik ist in Wahrheit eine beißende Satire auf den Wohlstandsbürger, der sich über alles Mögliche beschwert und dabei selbst nicht besser ist. Dieser Sänger verunsichert lieber sein Publikum, statt sich an den üblichen Feindbildern abzuarbeiten. Nur so lässt sich zum echten Leben vordringen. Im Opener "Wärmetod" geißelt er den Gesundheitswahn unserer überreglementierten Leistungsgesellschaft: "Rauchen ohne Nikotin, Pommes ohne Kalorien" und resümiert "Niemand überschreitet ein Verbot im emotionalen Wärmetod." Ringsgwandl fürchtet nichts mehr als die Langeweile einer keimfreien Umwelt. Dem begegnet man am besten mit einer Musik, die so richtig schön dreckig klingt. In diesem Fall kreieren seine neuen Mitmusiker Daniel Stelter an der Gitarre, Sebastian Flach am Bass und Tommy Baldu am Bass einen mitreißenden Südstaaten-Groove, über dem Ringsgwandl seine sarkastischen Botschaften verkündet. Manchmal zeigt der Seismograph des Zeitgeists auch einen Anflug von Pathos. So wenn er fast in Freddie-Mercury-Manier Glanz und Elend des Showgeschäfts besingt: "Ruhm und Glanz sind öffentlich, nur das Elend ist privat", lautet sein Kommentar zu Dschungel-Camp und Talkshow-Hype. Welch eine Wohltat, dass dieser zähe Outlaw den Versuchungen des Mainstreams widersteht. "Je verzweifelter um Perfektion gekämpft wird, desto näher rückt das Lächerliche", erklärt er im Booklet. "Mehr Glanz!" erschöpft sich zum Glück nicht in hohlem Perfektionismus, sondern weckt uns aus der Agonie mit Songs voller Ironie und verzweifelter Sehnsucht nach dem Wesentlichen.