Free Jazz Originalaufnahmen aus den frühen 1970er Jahren, die Anfang 2005 zeitgleich auf CD erschienen sind und auch einzeln erworben werden können.
So um das Jahr 1970 war Paris ein künstlerisches Exil für viele amerikanische Jazzer die sich hier, in good old Europe, die Anerkennung holten die ihnen in ihrer Heimat versagt blieb. Paris bot ihnen die Möglichkeit zu spielen, ihre Gedanken und Ideen auszuleben und ihre Vorstellungen von Musik einem aufgeschlossenen Publikum näher zu bringen. Mal Waldron, Steve Lacy, Anthony Braxton, Archie Shepp, Allen Shorter, das Art Ensemble of Chicago und etliche andere waren ein Teil dieser Szene. Universal France hat nun 15 CDs gleichzeitig veröffentlicht und bietet damit einen sehr guten Überblick über die brodelnde Free Jazz Szene dieser Jahre in Paris.
Insgesamt sind es 16 CDs, denn ein Doppelpack von Anthony Braxton ist auch mit dabei, auf denen sich die Musiker präsentieren. Die Aufnahmequalität entspricht nicht immer den heute gängigen Standards aber dies tut dem Genuss keinen Abbruch. Neben all den bekannten Namen aus der Szene und vielen richtungweisenden Einspielungen sind auch einige nicht ganz so bekannte Namen vertreten die es aber mehr als Wert sind, ebenfalls gehört zu werden. Allen Shorter, der 1987 verstorbene Bruder von Wayne Shorter, ist mit der CD "Tes Esat" in der Kompilation vertreten und wenn man die Musik von Allen Shorter gehört, noch besser, gefühlt, hat, ist es einem vollkommen unverständlich, warum dieser geniale Musiker Zeit seines Lebens im Schatten seines Bruders stand und bis heute von den meisten Jazzlexika totgeschwiegen wird. Diese CD ist ein absolutes Highlight der an Höhepunkten wahrlich nicht armen Serie.
Ein weiteres Highlight bilden die drei CDs des Art Ensemble of Chicago aus den Jahren 1970 und 1971. Die Grundformation des Ensembles, Lester Bowie (Trompete und Flügelhorn), Roscoe Mitchell (Saxofon, Flöte, Perkussion), Joseph Jarman (Saxofon, Klarinette, Perkussion), Malachi Favors (Bass), sowie Don Moye (Schlagzeug), hatte sich gerade zusammengefunden und schlugen in die Szene ein wie Kugelblitz. Sie boten eine exzessive Bühnenshow, schminkten sich die Gesichter mit überlieferten afrikanischen Symbolen und spielten eine Musik die bis dato unerhört war. Sie verbanden Elemente aus dem Free Jazz mit der gesamten Jazztradition bis zurück zum New Orleans Jazz. Darüber hinaus gab es ethnische, vor allem afrikanische Einflüsse. David Spitzer schrieb darüber: "Die Gruppenmitglieder produzierten Klänge von Traditionellen bis zum Absurden und Surrealen. Es gab sowohl schlüssige, humorvolle vokale Vorträge wie auch atypische Klänge, die aus traditionellen Instrumenten herausgeholt wurden." Nachzuhören ist diese Aussage auf den CDs "Certain Black", "Phase one" und "AEC with Fontella Bass". Auch Anthony Braxton (s. Foto) ist mit drei CDs vertreten, darunter dem richtungweisenden Doppelalbum "Saxofon Improvisations Series F". Rund zwei Stunden lang improvisiert Anthony Braxton allein mit seinem Altsaxofon und erfindet eine neue Sprache für das Saxofon. Mit diesem Album schuf er einen Meilenstein der Jazzgeschichte. Auf "Donna Lee", ebenfalls 1972 aufgenommen, spielt Braxton zusammen mit Michael Smith (Piano), Peter Warren (Bass) und Oliver Johnson (Schlagzeug). Obzwar es hier ein wenig strukturierter zugeht ist die Ton- und Formansprache von Anthony Braxton unüberhörbar.
Eine weitere CD ist dem Vorkämpfer der Elektronik, Paul Bley, gewidmet. Auf der "Improvisie" benannten CD wühlt sich Paul Bley durch das Klangspektrum seines Elektrischen Pianos und seines Synthesizers. Unterstützt wird der bei seiner Wühlarbeit und bei seinen Klangexpeditionen von Anette Peacock, ebenfalls Piano, Synthesizer und Stimme und Han Bennink am Schlagzeug. Zwei Stücke finden sich auf der CD und der oszillierende Sound des "uralt" Synthesizers in Verbindung mit der schwebenden Stimme von Anette Peacock schafft eine ganz eigenartige Atmosphäre die sehr stark an eine Filmmusik für einen nie gedrehten Film aus der Zeit erinnert in der bewusstseinserweiternde Psychopharmaka zu den Grundnahrungsmitteln gehörten.
Dave Burell ist ebenfalls vertreten, ebenso Roswell Rudd, Franck Wright, Steve Lacy Archie Shepp und andere. Eine Kompilation, die jedenfalls in keiner Sammlung fehlen sollte. By the way ... die Cover sind nicht nur hochwertig sondern auch künstlerisch sehr anspruchsvoll gestaltet. //
Text: Alfred Krondraf
Diverse Interpreten: Free America (15 CDs)
Label/Vertrieb: Universal France
Musik: @@@@@@
Klang: @@@ bis @@@@@