Dass ein erst 2005 veröffentlichtes Album Eingang in die Rubrik "Meisterwerke" findet, ist eher eine Ausnahme, schon alleine, weil ja der Zeitfaktor nicht berücksichtigt werden kann. Aber dennoch muss das im Falle von "I am a bird Now" von Antony and the Johnsons so sein, denn auf dem Album befindet sich schlicht und ergreifend Musik für die Ewigkeit.
Ein Hermaphrodit der Ästhetik singt mit derart viel Soul, dass einem unbenommen wohlig schaudert. Androgyn und sperrig, abgehoben und abgefahren wie nur was, dabei heillos melancholisch, romantisch und traurig. Ein Meisterwerk mit Geschichten wie "My Lady Story", "For Today I am a Boy" und "You are my Sister" und vertonten (anonymen) Gedichten wie "Free at last". Neben Antony, der mit dunklen Tönen keineswegs spart, verblassen sogar seine prominenten Gastsänger wie Lou Reed, Boy George und Rufus Wainwright, die nur das I-Tüpfelchen auf diesem zeitlosen Werk sind. "I am a bird Now" beinhaltet zehn Lieder, das von Gefühlen, Ahnungen, Schmerz und selten nur von Hoffnung bestimmt ist.So richtig zu fassen bekommt man das Album nicht, zumindest nicht, wenn man diese gehaltvolle, intelligente Ästhetik und überschäumende Schönheit von Musik nebenher, also unkonzentriert, hört. Nein, das Album muss man bewusst wahrnehmen, es verdient sich nichts Anderes. Irgendwie zieht sich eine unheilvolle Dramatik durch das gesamte Album, gleichzeitig sind die Lieder beinahe schon maßlos friedlich und der singende Pianospieler bzw. der sich am Piano begleitende Sänger ohne Nachname, Antony, verzaubert vom ersten Ton an, man ist gefangen von der Wucht der Bilder die sich bei seinem Gesang, von seiner Musik entfalten, man ist berührt von der Opulenz der Arrangements, von der Gewalt seiner Stimme, die so engelsgleich daherkommt, so unfassbar schön ist. Man hört ihn auf der Suche nach sich. Intensiv. Intim. Ein Jahrhundertwerk. //
Text: Manfred Horak
CD-Tipp:
Antony and the Johnsons: I am a bird Now
Musik: @@@@@@
Klang: @@@@@@
Label: Secretly Canadian; 2005