„Es ist so, dass ich längst nicht mehr leben würde, wenn nicht in den schwersten Zeiten meines Lebens die ersten Malversuche mich getröstet und gerettet hätten“. Ein Nervenzusammenbruch während des Ersten Weltkriegs, das Hermann Hesse zu einer psychoanalytischen Behandlung führte war für den damals 40-jährigen Schriftsteller letztendlich der Anlass nicht nur zur Feder sondern auch zum Pinsel zu greifen. Erstmals in Österreich wird dieser Aspekt des Literatur-Nobelpreisträgers von 1946 in einer umfangreichen Schau im Leopold Museum gewürdigt.
Über 100 ausdrucksstarke, farbenfrohe Aquarelle werden im Leopold Museum zu sehen sein und überraschende Einsichten in Leben und Werk der Doppelbegabung geben. Hermann Hesse nannte sein Leben übrigens ein „Bilderbuch“, in welchem er behutsam blättere, und zeigt schon damit, dass Bild und Wort für ihn nur schwer zu trennen sind. Zusammen mit zahlreichen Fotografien, Dokumenten, Originalmanuskripten, Briefen und anderen Selbstzeugnissen, organisiert von der Co-Kuratorin Bettina Leder-Hindemith, formen diese Bilder die bis dato umfangreichste, jemals über Hermann Hesse gezeigte Ausstellung.
Hochgradig gesteigerte Realitätswahrnehmung
Der literarische Erfolg Hesses beruht(e) vor allem auf seinen Romanen und Erzählungen, und in den 1960er Jahren waren es „Der Steppenwolf“ (1927) und „Siddharta“ (1922), die als Kultbücher der westlichen Jugendbewegungen, zur Wiederentdeckung des Autors führten. Weniger bekannt sind neben seiner Malkunst seine lyrischen Werke, die allerdings sehr deutlich Zeugnis ablegen, dass Hesse nach einem kurzen Mitschwimmen auf der patriotischen Welle – wie es im Gedicht „Das Erlebnis“ nachzulesen ist – als einer der wenigen deutschen Intellektuellen – unmissverständlich gegen den Krieg stellte. Gedichte aus der Kriegszeit dokumentiert diesen Wandlungsprozess vortrefflich, der durch die Kriegsereignisse selbst, aber auch durch den Zerfall seiner Familie und letzten Endes auch durch seine psychotherapeutische Behandlung durch J. B. Lang (einem Schüler von C. G. Jung), ausgelöst wurde und sich auch in der Erzählung „Demian“ (1917) manifestiert. Besonders erwähnt sei dabei auch das Gedicht „Rückkehr“, in dem Hesse die Wirkung der Langschen Analyse bewertet. Die Folge war eine Verinnerlichungstendenz seitens des Autors, der in einer hochgradig gesteigerten Realitätswahrnehmung schlussendlich eben auch zum Maler wurde. Hesse blieb übrigens der Bildenden Kunst treu, was sich wiederum auf sein literarisches Schaffen auswirkte, indem seine „Sprache durch den nun alltäglichen Umgang mit Feder und Pinsel an Kontur, Farbe und Anschaulichkeit gewonnen hat“, wie Volker Michels, Kurator der Ausstellung und Herausgeber von Hermann Hesses „Gesammelter Werke“, feststellt. (Manfred Horak)
Ausstellungs-Tipp:
Hermann Hesse. Dichter & Maler
23. Februar bis 3. Juni 2007
Leopold Museum
Museumsplatz 1
1070 Wien
Link-Tipp:
Leopold Museum