Requiem für/for Euphorie aufgeschlagene Knie. Jeder Satz schlägt wie ein Wackerstein direkt in die Magengrube. Ein Satz mit jedem Atemzug, ein Absatz, keine Interpunktion. "Verbale Konstrukte" waren das Thema von Michaela Falkners Dissertation. Frau Doktor weiß um die Kraft der eigenwillig niedergeschriebenen Gedankensätze. Das Entsetzen zwingt mit schockgeweiteten Augen weiter zu lesen. Wer diesen schmalen Band "Kaltschweißattacken" aufschlägt, lässt Zeit, Ort, Logik und Realität hinter sich und sieht aus dem Kopf einer von Obsessionen getriebenen jungen Frau.
Von innen gegen den Schädel rennen Ivan heißt ihre Liebe. Sie sehnt sich nach seinen Schlägen. Ihren Körper richtet sie systematisch zu Grunde. Sie heiraten. Sie wird schwanger. Ivan will sie nicht mehr schlagen. In ihrem Bauch ist keine Liebe. Sie muss ständig kotzen und verweigert die Nahrung. Vielleicht kann man das Ungeborene aushungern? Vergiss eines nie mein Kind: Ich bin es die dich nicht bei sich haben will Längst kann man mit seinem Körper heute nicht mehr machen, was man will. Zwangsernährung und Beobachtung, mit so genannter medizinischer Hilfe kommt die erste Tochter Franziska auf die Welt. Zwei Jahre später folgt doppeltes Pech - die Zwillinge Elisabeth und Mathilda. Sie merkt sich ihre Namen nicht. Zwischen ihren Gedanken und Zerstörungsphantasien immer wieder Kommentare namenloser Nachbarn, Freunde, Krankenschwestern, Behörden und ähnlichem Personal. Und immer wieder Kälte und Schnee. Nie wieder wird hier jemand Geburtstag haben. Die Mädchen orientieren sich am Verhalten der Mutter. Eine schweigt, eine stottert und eine richtet Aggressionen gegen sich selbst. Und Ivan? Er tut was er kann und hält sie zumindest am Leben. Sie kämpft dagegen an. Irgendwann möchte sie Ivan so lieben können, wie sie das will. Ob es der Mutter geglückt ist die Kinder zu töten? Was wirklich passiert ist, erfährt der Leser nicht. Dieses Buch ist eine Attacke gegen unser Gutmenschentum, gegen unser Scheinverständnis. Die Liebe ist schön. Doch die Familie dazu kann ein grausames Gefängnis sein, aus dem es keine Entlassung gibt, egal wie gut das Führungszeugnis ist. Man möchte manchmal laut aufschreien vor Verzweiflung. Michaela Falkner tut es. Heftig. Danach kann man langsam wieder durchatmen. (Christine Koblitz) Buch-Tipp: |
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