Sieben Alben veröffentlichte bisher Novi Sad, die Independent Austrian Music Rock Band aus Wien, die 2010 ihr 20-jähriges Bühnenjubiläum feiert: "Nuts and Berries" (1990), "Dreaming Starts Here" (1992), "Super oder Normal" (1994), "Home is in my Shoes" (1995), "Music for the time after Rock'n'Roll" (1999), "Europe's Other Side" (2003), Rise (2008). Zeit einiges Revue passieren zu lassen.
20 Jahre muss man als Band einmal erst werden, noch dazu in Österreich, diesen Umstand kann man nämlich durchaus als besondere Erschwernis anführen. 20 Jahre, das bedeutet jede Menge Regierungsumsbildungen und Casting-Superstars miterlebt bzw. überlebt zu haben. In diesen 20 Jahren hat sich die Stammbesetzung von Novi Sad mit Evi B. (voc.) Paris 1914 (guit., voc.) und Moonday (acc., drums) nicht geändert, im Gegenteil, mit Robert Worel (bass) und St. Stephan (drums) gab es sogar eine Personalaufstockung (da hat der Independent-Gedanke der kapitalistischen Wirtschaft eindeutig etwas voraus). Darüber hinaus ist Novi Sad auch in die Nähe einer Kritikerlieblingsband geworden, nachzustöbern auf der Webseite der Band. Im Podcast Interview sprach ich mit Sängerin Evelyn Blumenau und Gitarrist Klaus Schuch - beide schreiben für Novi Sad auch die Lieder - über eben jene ersten 20 Jahre. Das nachstehende Interview (ebenfalls mit Evelyn Blumenau und Klaus Schuch geführt) gibt es hingegen nur schriftlich und ihr habt nun die Wahl beide Interviews parallel oder separat zu konsumieren.
Kulturwoche.at: Wie ist euer Zugang Lieder zu schreiben?
Klaus Schuch: Marktorientiert zu schreiben ist uns nie in den Sinn gekommen. Inspirationen fließen unbewusst sein und laufen subkutan ab.
Evelyn Blumenau: Es gibt kein Königsrezept beim Komponieren, manche Songs passieren innerhalb einer Gefühlswallung, andere brauchen lange beendet zu werden, wie z.B. "Paradise", das habe ich begonnen zu schreiben als ich 14 war, also vor mehr als 20 Jahren.
Machen Cover-Versionen Sinn?
Klaus: Neuinterpretationen sind schon interessant, weil es andere Standpunkte und Zugänge bringt, die der Originalkomponist vielleicht gar nicht hatte. Cover-Versionen sind dann interessant, wenn man seine eigene Geschichte damit verbinden kann. Wir haben immer wieder Cover-Versionen gemacht, z.B. von The Doors "Indian Summer". Wenn wir nicht The Doors als Komponisten angeführt hätten, wäre es schwer zu bestimmen, wessen Song es ist. Es gibt einige Künstler die sich hervorragend anbieten gecovert zu werden - Leonard Cohen und Bob Dylan sind diesbezüglich ja klassische Komponisten. Wir brechen immer bewusst unsere Cover-Versionen, denn wenn eine Cover-Version wie das Original klingt, stellt sich die Frage nach dem Sinn. Gleichzeitig fördern Cover-Versionen die Kreativität. Es ist irrsinnig befruchtend, sich mit anderen Songs auseinanderzusetzen.
Evelyn: Ich höre mir sehr gerne Songs von Björk an, wenn ich leer bin und bin dann sofort verbunden mit dieser schönen Welt und kann dann wieder an eigene Gedanken gehen. Wenn ich z.B. keine Texte schreiben kann, lese ich Friederike Mayröcker, nicht um sie nachzumachen, aber sie hebt mich bereits nach wenigen Seiten in ein Schreibuniversum.
Habt ihr eigene Songs, die auf bereits vorhandene Lieder basieren?
Klaus: Mir fällt ein einziges ein, das ich einmal gemacht habe, und zwar aus CCRs "Walking on the Water", da habe ich die ganzen ersten Akkorde genauso genommen und ein eigenes Lied daraus gemacht, nur mit einer anderen Gesangsstimme, somit war's auch eine eigene Geschichte, die sich in eine andere Richtung entwickelt hat - das war "Difference between Experience". Das ist ganz bewusst auf "Walking on the Water" gewesen, wo sich ein Eigenleben entwickelte, einen eigenen Text erhielt und nicht wieder zu erkennen ist, nur wenn du die ersten zehn Akkorde mitklopfst sind es die gleichen wie bei CCR. Aber dass wir nahe bei anderen, bestehenden, Songs bleiben kommt nicht vor. Ein Song wie "A Song for Love" besteht aus zwei Akkorden, und zwar aus F-Major und C. Aus diesen beiden Akkorden sind vermutlich schon Hunderttausende von Liedern geschrieben worden, trotzdem kenn ich kein Lied, das so klingt wie "A Song for Love". Genau das ist der Kick, das schwierigste ist ja oft ganz einfache Songs zu schreiben, die müssen sofort rund und geschlossen da sein, sonst ist's ein Krampf.
Gehören zum Songwriting politische Themen?
Evelyn: Nein, nicht unbedingt. Es ist toll, wenn es Leute gibt, die es schaffen, ohne peinlich dabei zu werden. Ich könnte es nicht. Ich halte mich für einen sehr politischen Menschen, aber mir fehlt es an der feinen Sprache, die im Deutschen leicht zum erhobenen Zeigefinger wird, was ich gerne vermeide. Die Zeiten schreien natürlich danach, nur stellt sich die Frage, ob es das Lied, das notwendig ist, oder die Demonstration, zu der man geht.
Aber bei der Bürgerrechtsbewegung gingen die Demonstranten mit den Songs quasi Hand in Hand...
Klaus: Das ist richtig. Nur wenn man sich z.B. "Astral Weeks" von Van Morrison anhört, da gibt es kein einziges politisches Lied, das gleiche gilt für "Happy Sad" von Tim Buckley oder "Pink Moon" von Nick Drake, darauf sind ausschließlich stark Ich-bezogene Lieder und ich bin froh, dass auf diesen Alben nichts politisches oben ist und das Album dadurch gebrochen worden wäre. Es ist schön, wenn es einer schafft, aber es ist nicht konstitutiv für gutes Songwriting.
Evelyn: Es ist natürlich verführerisch in diesen kleinen Pamphlets eine Message rüber zu bringen, die nicht gleich wieder lächerlich wird. Die Dinge sind ja sehr komplex.
Sind Liebeslieder zu schreiben nicht genauso schwierig wie Lieder gegen Krieg z.B.?
Klaus: Die Frage ist, was einem näher berührt. Die Art wie Evelyn und ich schreiben sind ein sehr persönlicher Zugang und hat auch ein bisschen mit Verarbeitung zu tun. Trotz einer bescheuerten Regierung leben wir Gott sei Dank immer noch in Österreich in einem Nichtkriegszustand, beispielsweise. Ich bin mir sicher, wenn Krieg mein Lebensumfeld wäre, müsste ich das verarbeiten, ob in einem Text oder Bild. Z.B. "Europe's Other Side" handelt vom zerbombten Ex-Jugoslawien, und entstand aus meinem persönlichen, individuellen Zugang, nämlich aus den langen Fahrten durch die Nacht und konkret aufgrund meiner Zugreise von Novi Sad bis Nis.
Gibt es den perfekten Song?
Klaus: Ja. Es gibt den perfekten Song und ich denke wir haben bereits einige perfekte Songs geschrieben, obwohl ich sehr kritisch gegenüber unserem Oeuvre bin. Es gibt Songs, die stehen da wie Monolithen. "Ungargassenland" ist so ein Song, "Die Welt ist verborgen", "Europe's Other Side".
Wie fühlt sich eine Independent-Band in Österreich?
Klaus: Österreich hat ein Kulturproblem. Einer drittklassigen Band aus USA oder England wird wesentlich mehr Aufmerksamkeit gegönnt als der hoffnungsvollsten Newcomerband aus Österreich. Das ist eine Tatsache. Das österreichische Mainstream-Publikum ist Österreich ablehnend. Und es gibt auch gute Gründe dazu, Stichwort Austro-Pop, der diesen biederen Opratko-Sound aus den 70er Jahren ja zum Teil noch immer drinnen hat, das ist schlimm, dass sich der Austro-Pop nicht emanzipieren konnte. //
Interview und Text: Manfred Horak
Foto: Novi Sad